Die Digitalisierung der Gesellschaft hat vor ein paar Jahren begonnen. Das Digitale schreitet immer weiter fort und wird immer mehr Teil unseres Lebens. Im beruflichen und wirtschaftlichen Kontext ist die Rede vom “Digital Workplace”. Einerseits ist der Begriff treffend – doch andererseits ist er total irreführend.
The Digital Workplace Revolution
Im September findet wieder der IOM SUMMIT statt. Dieses Jahr lautet das Motto “The Digital Workplace Revolution”. In den Sozialen Medien begleite ich für den Veranstalter die Konferenz und blogge auf dem Enterprise 2.0 Blog über die Themen des Summits. Davon unabhängig beobachte ich die “Digital Workplace Revolution” bereits seit einiger Zeit. Begonnen hat für mich diese digitale Arbeitsplatz-Revolution mit dem Übergang vom Web 2.0 in das Enterprise 2.0. Plötzlich waren Dinge möglich, zu denen in Unternehmen zuvor große Projekte mit vielen Mitarbeitern und vor allem viel Geld und viel Zeit notwendig waren.
Plötzlich wurden Hierarchien und ihre Silos aufgebrochen. Logische Konsequenzen waren die Formulierung des Social Business und die Manifestation der Social Collaboration. Mitarbeiter in Unternehmen, Mitarbeiter zwischen Unternehmen und kommunizieren und arbeiten zusammen. Unternehmen wie QSC mit “Tengo” und O2 mit ihrem Digital Workplace bieten den “Digital Workplace” als fertige Lösungen an. Die Digitalisierung bietet Unternehmen neue Möglichkeiten und stellt sie gleichzeitig vor große Herausforderungen was die Organisation, die Kommunikation und die Führung angeht.
The Prosumer Revolution
Im privaten und persönlichen Bereich sorgten ebenfalls zunächst technologisch geprägte Entwicklungen für das digitale Umkrempeln. Das Social Web machte das Internet sozial. Startups und Apps machten das Internet lokal. Und spätestens mit dem iPhone wurde das Internet mobil. Mit “SoLoMo explodierte die privaten Anwendung des ”Internets“. Im Consumer-Bereich, bei den Verbrauchern, war es irgendwann normal, ”mal schnell“ eine App zu installieren, eine ”Message“ zu schicken, zu kommunizieren.
Sogar die “Collaboration”, die Zusammenarbeit, veränderte sich. Vereine, Kegelclubs, Nordic Walker organisieren ihre Treffen und Aufgaben inzwischen über Facebook, Google oder Whatsapp. Auch wenn die Digitalisierung noch nicht bei jedem angekommen ist, so zeigen mir zahlreiche Beispiele im Bekanntenkreis, dass Notebooks, Tablets und Smartphones die Kommunikation und die Kollaboration nachhaltig verändert haben.
Der Consumer wurde endgültig auch zum Produzenten (“Prosumer”).
Getrennte Welten?
In beiden Welten hat die Digitalisierung ihren Einzug gehalten. Auch wenn sich in beiden Welten hartnäckig Verweigerer des Digitalen (“Digital Denier”) gegen die Digitalisierung stemmen, so werden sie aufgrund der Veränderungsgeschwindigkeit eben dieser Gesellschaft immer weiter ins Abseits gelangen – oder konvertieren.
Doch gibt es diese Trennung dieser beiden Welten, des Konsumentenbereichs und des Unternehmensbereichs, überhaupt noch?
Matthew Cain, Research Vice President bei Gartner, meint dazu:
Individuals do not stop being consumers when they go to work. Business consumers often make more consumer-like choices in their workplace computing tools and styles to increase efficiency.
Consumerization inklusive Bring you own device hat diese Trennung schon längstens ad absurdum geführt.
Diese Trennung gibt es längst nur noch an der Oberfläche, denn Unternehmen brauchen eine klare Trennung zur Messung von Produkivität und Rentabilität ihrer Mitarbeiter. Doch wer hinter die Kulissen blickt, der erkennt, dass es diese eindeutige und glasklare Trennung von “Arbeit” und “(Privat-)Leben” sowieso nie wirklich gab. Aufgrund des Zwanges zur Produktivitäts- und Rentabilitätsrechnung war und ist diese Trennung notwendig. Doch viele Coaches und Berater verdienten sich eine goldene Nase dabei, die “Work-Life-Balance” von gestressten Vorständen, Managern und inzwischen auch immer mehr Mitarbeitern wiederherzustellen.
Als ob es keinen Kaffeeautomaten (“Water Cooler”), keine gemeinsamen Mittagessen, keinen Austausch über Privates und über Themen der Arbeit geben würde. Als ob Kollegen sich nie abends am Stammtisch ausgetauscht hätten. Als ob das Gehirn sich verbieten ließe, beim Joggen oder Duschen mit Ideen für den Job hervorzupreschen.
Die Trennung von Arbeit und Privatsphäre ist für mich ein künstliches Konstrukt, das in der Praxis nicht funktioniert. Besonders nicht für Knowledge Worker, die wenige mechanische und/oder wiederholende Tätigkeiten ausüben sondern auch kreativ denken müssen.
Was ist Arbeit?
Der Begriff “Digital Workplace” ist irreführend, weil viele Menschen mit “Arbeitsplatz” einerseits eine feste Zuordnung zu einem Ort wie einem Gebäude oder sogar Zimmer verbinden. Und andererseits verbinden viele Menschen Arbeit fast immer mit Job oder Beruf. Doch was ist Arbeit?
Arbeit ist das Verrichten einer zielgerichteten materiellen oder geistigen Tätigkeit. Zielgerichtet bedeutet, dass zu einem definierten oder geschätzten Zeitpunkt der Aufwand mit dem erwarteten qualitativen oder quantitativen Ergebnis verglichen wird. Im Nachhinein kann ein eingetretenes Ergebnis jedoch dem angestrebten nicht entsprechen aber es dennoch übertreffen. Oder auch nicht.
Diese Definition ist bereits fast fünf Jahre alt. Nach meinem heutigen Erfahrungs- und Wissensschatz knabbere ich angesichts der Ergänzung von Hierarchie, Prozesse und Projekte um “Collaboration” an dem “zielgerichtet”, dem “Zeitpunkt” und dem “erwarteten … Ergebnis”. Doch ich arbeite auch, wenn ich nicht im Büro, nicht angestellt und nicht selbstständig bin.
Unser Gehirn denkt oft nicht so, wie wir wollen. Es wirft uns Gedanken ins Bewusstsein, auch wenn wir gerade an einem ganz anderen Thema sind. Wenn ich beispielsweise dusche oder “ganz privat” jogge, dann wirft mir mein Gehirn etwas vor, das es in aller Stille ausgebrütet hat. Und da ist meinem Gehirn meine sogenannte “Work-Life-Balance” total egal. Diese Krux äußert sich beispielsweise darin, dass ich vor ein paar Tagen zunächst beim Joggen und dann in meinem Entspannungsblog über das fachliche Thema des Digital Workplace sinnierte und dass ich jetzt hier in meinem fachlichen Blog die Gedanken fortführe.
(Leider war es sehr windig, und die Windgeräusche sind deutlich zu hören. Ich hatte beim Jogge kein extra Mikrofon dabei – und das beste Mikrofon ist sowie so das, das man immer dabei hat. Also das Smartphone)
Future Working Environment
Die zukünftige Arbeitsumgebung ist dort, wo ich etwas arbeite – egal ob für mich persönlich, für Kunden oder für einen Arbeitgeber. Und er ist dann, für wann ich die Arbeit einplane (alleine oder gemeinsam). Aufgrund der Vernetzung und der Digitalisierung der Gesellschaft – egal ob im Job oder im Persönlichen – ist dieser “Arbeitsplatz” oft sehr digitalisiert. Aber ob eine Arbeit digital, analog oder irgendwann quantenmechanisch erledigt wird, ist letztendlich irrelevant.
Wichtig ist, dass die Arbeit schnell, gut und angenehm für den Arbeitenden erledigt wird.
Das kann auch beim Joggen über dem Selztal sein.
Flickr Fotoalbum „Über dem Selztal“