In den sozialen Medien gibt es zahlreiche Kennzeichnungen für die Beziehungen zu Kontakten. Ständig verschicken Benutzer Kontaktanfragen. Doch nicht jeder sieht in einem „Friend“ auch einen Freund. Manchmal sogar einen Gegner („Foe„). Mein Beitrag zur Blogparade über die Bedeutung von Freunden, Kontakten und Kontaktanfragen im Social Web.
Menschen und Organisationen bauen Beziehungen in sozialen Medien und sozialen Netzwerken auf. Eine Kontaktanfragen folgt der anderen und plötzlich ist Mensch mit hunderten anderen Menschen befreundet. Wirklich? Jeder Teilnehmer interpretiert den Beziehungsstatus einer Plattform letztendlich für sich selbst, verschickt und akzeptiert Kontaktanfragen dementsprechend. Und doch: Plötzlich ist man in vielen Beziehungen. Manche Tools analysieren diese Beziehungsnetzwerke, interpretieren sie selbst (womöglich anders) und zeigen wunderschön anzusehende lebendige Grafiken. Und schon ist man „Friend“ des verhassten Gegners aus dem Minigolfvereins im Nachbardorf.
Was ist eine Beziehung
Das alles erinnert mich an die Modellierung von Datenbanksystemen in den Achtzigern. Die aufkommenden relationalen Datenbanken erforderten eine saubere Planung und Definition der Strukturen. Die Entity Relationship Modelle (ERM) mit verschiedenen Ausprägungen wurde immer notwendiger je realitätskonformer die Abbildung der realen Welt in den Datenbanken erfolgen sollte.
„A ist Kunde von B“ ist doch einfach, oder? Ist A aber bereits Kunde, wenn er ein Angebot eingeholt, oder erst wenn er den Vertrag abgeschlossen hat oder erst wenn er bezahlt hat? Ist er nach fünf Jahren auch noch Kunde? Ist die Beziehung beendet, wenn er den Vertrag gekündigt hat? Oder erst, wenn das Mahnverfahren gegen ihn wegen offen stehender Rechnungen beendet ist?
Wer ein schönes grafisches Datenbankmodell inklusive Normalisierungen ausdrucken konnte, der war als Unternehmen schon weit. So lange, bis der Datenmodellierer und der Programmierer das Unternehmen oder gar nur die Abteilung verlassen hatten. Was bedeutete noch mal „ist Kunde“? Dann ging das Interpretieren der Nachfolger los. „Warum ging der Newsletter an Kunde A raus, der hat sich beschwert. Warum beschwert der sich denn, der ist doch noch Kunde?“ Und der vermeintliche Kunde sah das noch einmal ganz anders…
Kontaktstatus
Und jetzt haben wir diese sozialen Plattformen mit ihrem jeweiligen Kontaktstatus mit denselben Interpretationsschwierigkeiten wie bereits in den Achtzigern. Selbst wenn die Plattformen diesen Status irgendwie und irgendwo dokumentiert haben, so interpretieren die Teilnehmer ihn für sich selbst immer wieder neu. Jeder einzelne ändert die Statusinterpretation immer mal wieder, und für die Gesamtmenge der Teilnehmer kann dies im Zeitverlauf ebenfalls zu Veränderungen der Interpretation führen.
„Kontakt“ bedeutet eine Kommunikationsschnittstelle, eine Kontaktfläche. Mehr erst einmal nicht. Für eine Dokumentation, den Kontaktstatus, gibt es zwei verschiedene Arten:
- Zweiseitiger Kontaktstatus: Einer von beiden Teilnehmern stellt eine Anfrage an den anderen Teilnehmer („Kontaktanfrage“). Der zweite Teilnehmer muss dieser Anfrage zustimmen. Dann ist bei beiden Teilnehmern sichtbar, dass sie Kontakte sind.
- Einseitiger Kontaktstatus: Einer von beiden Teilnehmern legt fest, dass er ein Kontakt des anderen ist. Der andere muss nicht zustimmen. Ein Widersprechen ist möglicherweise lediglich für Fälle wie Spam oder Belästigung vorgesehen.
Bei beiden Kontaktstati kann die Plattform mit der Festlegung Folgeaktionen verbinden. So können Statusupdates des jeweils anderen sichtbar werden (beispielsweise erscheinen Statusupdates des anderen in meiner Twittertimeline) oder Benachrichtigungen über Aktionen des jeweils anderen an einen versendet werden. Möglicherweise kann ich solche Folgeaktionen wieder ausschalten aber dennoch den Kontaktstatus beibehalten (beispielsweise keine Statusupdates vom Freund A auf Facebook mehr).
Der Kontaktstatus wird von jedem individuell spezifisch für jede Plattform interpretiert und festgelegt. Dies belegen die vielen Diskussionen und Freundes- oder Kontaktanfragen, die zu erleben ich seit den Achtzigern nicht immer die Freude hatte. Glauben Sie mir: In dieser Beziehung ;-) ähneln sich die Plattformen FidoNet, CompuServe, Facebook, Twitter, Google und Co.
Meine Interpretationen
Was bedeuten also „Kontakt“ auf Xing, „Freund“ auf Facebook oder „Contact“ auf Linkedin oder Foursquare? Was bedeuten also „Follower“ auf Twitter, „eingekreist“ auf Google?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, wie ich den jeweiligen Kontaktstatus einer Plattform für mich interpretiere und damit umgehe. Manchmal jedoch frage ich mich bei einer Kontaktanfrage sogar: Friend or Foe?
Hier sind meine Interpretation für ein paar Plattformen zu deren Kontaktstatus sowie meine Haltung dazu.
Blogs (Blogroll)
Blogs? Ja, Blogs! Alle Blogs – egal auf welcher technischen Plattform – sind für mich eine kommunikative Plattform. Das Eintragen eines anderen Blogs in die eigene Blogroll ist für mich das Vergeben eines einseitigen Kontaktstatusses. Ich trage ein Blog (und damit die Autoren des Blogs) in meine Blogroll ein, weil ich dessen Inhalte und dessen Autoren schätze. That’s it. Ich erwarte keinen Eintrag meines Blogs in die Blogroll des anderen Blogs (auch wenn ich mich darüber freuen würde…).
Ich nehme an keinem Linktausch teil. Never ever. Wenn ich in einer anderen Blogroll stehe und das andere Blog in meiner Blogroll steht, dann war das die freie Entscheidung von uns beiden ohne Absprache.
Bei Twitter handelt es sich ebenfalls um einen einseitigen Kontaktstatus. Er lautet „Following“. Ich folge anderen Twitterern (Personen oder Organisationen), weil ich deren Inhalte und/oder Personen schätze. Damit werde ich deren Follower. Keine zweiseitige Absprache. Wenn wir uns beide followen, dann sind wir Friends aber keine Freunde. Wir followen uns lediglich gegenseitig. Was nicht ausschließt, dass wir… Sie verstehen?
Ein Kontaktstatus („Friend“, „Freund“) auf Facebook ist ein zweiseitiger Kontaktstatus. Ich muss also die Anfrage des anderen genehmigen. Umgekehrt genauso. Wir sollten uns also daher wirklich kennen und nicht auf demselben Planeten leben. Im Allgemeinen sollten wir ein paar Argumente oder Links ausgetauscht haben.
Ich bin als „Antragsteller“ eher zurückhaltend, weil ich Sie nicht belästigen möchte. Wenn Sie der Ansicht sind, dass wir uns nicht nahe genug für eine „Freundschaft“ auf Facebook sind, dann lehnen Sie ab. Kein Zögern, kein Bedauern. Ich bin Ihnen nicht böse. Seien Sie mir bitte auch nicht böse, wenn ich Ihre Anfrage ablehne.
Google+
Eine einseitige Sache. Sie kreisen mich ein, weil… (das müssen Sie wissen!). Ich kreise Sie ein, weil ich Ihre Inhalte und Standpunkte und möglicherweise Sie als Person schätze. Wir teilen irgendwie ähnliche Interessen in unseren beruflichen, fachlichen, persönlichen oder privaten Sphären. Wir bewegen uns in ähnlichen Kreisen. Möglicherweise will ich über den Tellerrand schauen und verlasse mich auf die Empfehlung oder die Meinung anderer.
Foursquare
Einerseits ist das auf Foursquare eine zweiseitige Sache. Andererseits nehme ich so ziemlich alle Kontaktanfragen an. Das gemeinsame Interesse ist hier das Lokale oder mögliche Lokale. Wenn Sie allerdings angeblich Uma Kayvhoria aus Evratkuhrtar sind und bereits 792 Friends haben, dann ignoriere ich Sie. Auch wenn wir 58 gemeinsame Kontakte haben. Auch wenn Sie es auf Facebook bereits einmal versucht haben.
Tumblr
Auf Tumblr wird einseitig gefollowed. Da geht es mir um interessante Inhalte (Texte, Fotos, Filme) von Leuten, die ich ansonsten kenne oder auch nicht. Wenn Sie mir folgen, dann schaue ich mir Ihre Artikel an und folge Ihnen eventuell. Ich neige allerdings dazu, mein Dashboard auf Tumblr zu vernachlässigen.
Flickr
Auf Flickr können Sie mich einseitig als Kontakt hinzufügen. Das tut mir nicht weh. Wenn mir Ihre Fotos gefallen, dann füge ich Sie (ebenfalls) als Kontakt hinzu. Das tut Ihnen ebenfalls nicht weh. Es geht um Fotos und nicht ums Kuscheln.
Linkedin/Xing
Auf Linkedin und Xing erhalte ich ständig Kontaktanfragen von irgendwelchen Leuten, mit denen ich nach bestem Wissen und Gewissen noch nie zu tun hatte. Oft haben diese Personen eine Funktion im Marketing oder sind bei einer Personalberatung oder sind Verkäufer oder was auch immer. Ich lege Wert darauf, keinen zweiseitigen Kontaktstatus mit solchen Leuten zu haben.
Andererseits verXinge/verlinkedinne ich mich gerne mit Arbeitskollegen, Bekanntschaften von Konferenzen und Unkonferenzen. Solche zweiseitigen Kontakte sind eine schöne Sache. Sagt man. Schön, wenn wir Kontakt halten können, von der Plattform gegenseitig an den Geburtstag erinnert werden. Nein ich lästere nicht. Aber ich nehme nur Personen in meine Kontaktsphäre, mit denen ich eine Beziehung habe.
Last.fm
Auf Last.fm höre ich gerne Musik nach meinem Geschmack oder nach einem bestimmten Musikstil, gelegentlich auch nach dem etwas anderen Geschmack anderer. Fügen Sie mich gerne hinzu. Ich Sie eventuell auch. Ganz im Ernst: Ich weiß momentan nicht, ob das auf Last.fm eine einseitige oder eine zweiseitige Sache mit dem Kontaktstatus ist :-(
Meine „Rules of Engagement“
Ich bekomme ständig Kontaktanfragen oder -benachrichtigungen über einen Kontaktstatus für die oben genannten Plattformen. Oft freue ich mich darüber. Manchmal amüsiere ich mich darüber. Nicht immer erfreut es mich. Und manchmal ärgere ich mich. Für zweiseitige Kontaktanfragen habe ich meinen kleinen Leitfaden. Gehen Sie ihn durch, bevor Sie mich kontaktieren. Ich mache das auch, bevor ich Sie kontaktiere.
Positives Engagement
Kennen wir uns? Haben wir uns persönlich getroffen und unterhalten? Sie als Kunde, ich als Auftraggeber? Oder umgekehrt? Auf einer Veranstaltung, einem BarCamp? Hatten wir online Unterhaltungen auf Facebook, Twitter, Blogs und Co? Man sagt, Namen seien Schall und Rauch. Aber selbst aufgrund von Profilbildern kann ich mich möglicherweise nicht erinnern. Überraschenderweise weiß ich nicht immer alles. Noch schlimmer: Manchmal kann ich mich an mein Wissen einfach nicht erinnern. Helfen Sie mir auf die Sprünge. Geben Sie mir daher bitte einen kurzen Hinweis, wenn es etwas länger her ist („Wir haben uns des Öfteren auf Facebook/Twitter/XYZ ausgetauscht, deswegen würde ich mich gerne vernetzen“) oder wenn es nur kurz war („Wir haben uns letzte Woche kurz in der Pause bei der Konferenz XYZ über ABC unterhalten“).
Dann beantworte ich ihre Kontaktanfrage gerne positiv. Wenn Sie mich einfach nur einmal treffen wollen, dann schicken Sie mir eine Nachricht oder schauen Sie auf meinen Kalender und schicken Sie mir eine Terminanfrage.
Negatives Engagement
Oder haben wir nur denselben Kinofilm gesehen, haben beide Interesse an Social Media oder wohnen sogar im selben Land – oder auf derselben Erde? Wollen Sie mir eine persönliche Nachricht schicken und müssen sich deswegen mit mir verkontakten (lesen Sie mein Profil oder mein Impressum!)? Ihr Profilfoto besteht aus einem unpersönlichen Avatar oder einer Landschaftsaufnahme mit Ihnen als 1×1 Pixel? Kein Wohnort, keine Basisangaben außer dem Namen?
Das reicht mir nicht. Sorry. Not. Solche Kontaktanfragen ignoriere ich. Sowohl für einen zweiseitigen Kontaktstatus als auch für einen einseitigen Kontaktstatus. Dann reicht es weder für Friend noch für Contact – sehr wohl aber für Foe.
Fragen Sie nicht nach – es sei denn, Sie können mir etwas liefern, was mich zu einem positiven Engagement veranlassen dürfte.
Wie gehen Sie mit Kontaktanfragen um? Was ist ein Friend auf Facebook für Sie?
Gut gemacht!