In seinen Anfängen war das Intranet ein Informations- und Lesemedium. Jetzt dient es immer mehr der Zusammenarbeit und der Wissensarbeit. Damit wird es zwangsläufig zu einem sozialen Medium im Unternehmen. Gleichzeitig ergänzt es bei vielen Mitarbeitern ihr physisches Büro mit dem Schreibtisch oder löst es in Teilen sogar ab. Das Intranet wird zum „Digital Social Workplace“.
Das Intranet
Vor über elf Jahren wechselte ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber und baute dort – damals noch in der IT – das Intranet mit auf. In vielen Unternehmen gab es damals noch kein Intranet, und bei vielen hatte E-Mail gerade erst Einzug gehalten. Intranets enthielten fachliche und organisatorische Informationen. Doch schon immer spielten „weiche“ Informationen eine große Rolle. Kaum ein Intranet, dessen höchste Zugriffszahlen nicht der Speiseplan hat(te) :-)
Mit den zusätzlichen Möglichkeiten der Technik kamen Portale hinzu, die Anwendungen und andere Plattformen im Intranet einbinden. In vielen Intranets benutzen Mitarbeiter SAP oder andere Systeme, ohne dass dies an der Oberfläche zu erkennen ist.
Viele gerade größere Unternehmen versuchten mit dem Intranet ein zentrales Wissensmanagement – und schlugen fast immer fehl. Oft verordneten Unternehmen zentral eine elektronische Zusammenarbeit und erließen dazu Richtlinien und Anweisungen. Es gab viele Experimente.
Letztendlich waren und sind jedoch die meisten Intranets gekennzeichnet durch den Versuch der zentralen, oft zentralistischen, Vermittlung von Informationen durch das Unternehmen oder durch Unternehmensteile. Wenn es sich das Unternehmen leisten kann, werden andere Plattformen beispielsweise durch Portalsysteme eingebunden.
Das soziale Intranet
Doch im Internet verbreitete sich der Virus „Web 2.0„. Die Unternehmen zeigten sich davon unbeeindruckt. Zunächst. Doch bereits 2006 beschrieb Andrew P. McAfee im MIT Sloan Management Review das Enterprise 2.0 (Enterprise 2.0: The Dawn of Emergent Collaboration). Und dann geschah noch etwas: Social Media. Blogs. Mikroblogs. Kommentare. Sogar in einzelnen Unternehmen. Der Virus machte nicht halt vor den Unternehmensgrenzen. Denn viele Menschen waren und sind nicht in der Lage und nicht willens, privat und beruflich jederzeit und immer strikt voneinander zu trennen. Das waren sie noch nie – sonst gäbe es keine Kaffeeküchen und keine Stammtische.
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sich ein Mensch nicht dividieren lässt. Der Mensch ist ein soziales Wesen.
Vielleicht aber gerade deswegen schlagen viele Versuche eines sozialen Intranets zunächst fehl. Denn ein soziales Intranet lässt sich nicht verordnen und mit Meilensteinpolitik installieren. Lutz Hirsch hat aufgrund seiner Erfahrungen aus Projekten der letzten 24 Monaten fünf Erfolgskriterien für soziale Intranet-Plattformen zusammengefasst:
- Starten Sie mit Vernetzung, Projektarbeitern und Leuchtturm-Blogs […]
- Setzen Sie die Interaktivität auf die oberste Priorität! […]
- Achten Sie auf die Balance zwischen Input und Output […]
- Gestalten Sie die Plattform für den Nutzer schlicht und einfach, achten Sie auf ausgefeilte Lösungen im Hintergrund […]
- Starten Sie mit einem warmen Motor […]
Hirsch spricht vom Sozialen Intranet und meint dazu:
Bevor wir mit unserer kleinen Hitliste beginnen, möchte ich kurz skizzieren, was wir unter “Social Media” im Intranet verstehen: Es ist die Unterstützung der Kommunikation und der individuellen Arbeitsabläufe der Mitarbeiter mit modernen Web 2.0 – Technologien. Insbesondere umfasst dies den Einsatz von Blog- und Wiki-Plattformen und die Möglichkeit, sich mit anderen Kollegen digital zu vernetzen und Aktivitäten und Statusmeldungen zu teilen (“internes Facebook”). Das Intranet entwickelt sich damit von einer rein redaktionell gepflegten Plattform zu einem Mitmach-Intranet mit einem hohen Anteil an ‘user generated content’.
Der Charakter des Intranets verändert sich. Seit 2006 führt Jane McConnell eine weltweite Umfrage zu Intranet-Trends durch. 2010 nahmen 440 Unternehmen an der Umfrage zu „Global Intranet Strategies“ teil. Die Erkenntnisse aus der Umfrage veranlassen sie jetzt zur Umbenennung in „Digital Workplace Trends“:
The intranet has matured over the last 5 years. It is being transformed into a digital workplace or becoming a key part of the greater digital ecosystem of enterprises.
[ New name, new scope: ‚Digital Workplace Trends‘ ]
Es gibt keine Umkehr: Das Intranet wird zum digitalen Arbeitsplatz. Doch was bestimmt die Akzeptanz des digitalen Arbeitsplatzes?
Angebot und Nachfrage im Intranet
Angebot und Nachfrage bestimmen in einem Markt das Gleichgewicht. Symptomatisch für ein Auseinanderdriften von Angebot und Nachfrage im Digital Workplace ist die vermehrte Nutzung privater E-Mail für den Job. E-Mail ist „social“? Ja, auch E-Mail ist ein soziales Medium. Denn E-Mail ist ein Werkzeug, mit dem Nachrichten und Inhalte ausgetauscht werden. In beruflichen E-Mails finden Unterhaltungen über fachliche Themen, den Job, den Vorstand, das Wetter und die Kinder statt.
Klint Finley zeigt auf ReadWrite Enterprise anhand einer Studie, wie bei E-Mail Angebot und Nachfrage offensichtlich auseinandergelaufen sind:
The survey found that 85% of what Mimecast dubs „Generation Gmail“ – employees 25 years old and younger – have used personal email accounts to send work-related documents.
[ Survey: 85% of Employees Under 25 Use Personal E-Mail Accounts for Work via The Social Business ]
Mitarbeiter vermissen Angebote des Arbeitsgebers. Sie ziehen Konsequenzen und befriedigen ihre Nachfrage bei anderen Angeboten. Finley nennt in dem Artikel Gründe für die Benutzung privater E-Mail für die Arbeit (sowohl aus der Studie als auch aus seiner Sicht):
- Größenbeschränkung der E-Mailattachments durch den Arbeitgeber
- Beschränkungen der Postfachgröße durch den Arbeitgeber
- Fehlender E-Mailzugriff von unterwegs oder von zu Hause
Die Nutzung privater E-Mail für die Arbeitgeber beinhaltet zahlreiche zumindest potentielle Sicherheitsprobleme. Doch die Mitarbeiter nutzen private E-Mail nicht aus „Spaß und Dollerei“: Sie wollen produktiv arbeiten. Und wenn sich mit vielen Tools außerhalb des Unternehmens ein gewisser Spaßfaktor nicht vermeiden lässt…
Aus meiner Sicht verwenden Mitarbeiter ihre private E-Mail für berufliche Zwecke, weil die E-Mailsysteme vieler Unternehmen neben dem oben genannten zu wenig anbieten:
- Spaßfaktor
Viele IT-Systeme sind nicht nur lieblos dahininstalliert, sondern sie verhindern eigene Wege des Mitarbeiters und ein Ausprobieren neuer Wege. Meine These: Nur ein gewisses Ausmaß an Spaß erzeugt oder ermöglicht hinreichende Schnelligkeit und Kreativität. - Integration/Kontext
Auch wenn beispielsweise Exchange/Outlook außer E-Mail noch Kalender und Aufgaben kennt, so gibt es kaum Verknüpfungen der Funktionen und Informationen. Beim Erhalt einer Terminanfrage als E-Mail will ich direkt ohne Klick und Klack sehen wie die Terminlage rund um den vorgeschlagenen Termin ist. Ich will mehr über den Einladenden und die Eingeladenen sehen. Wo sind die Kollegen oder auch Externen an diesem Tag, welches sind ihre derzeitigen Tätigkeiten und Statusmeldungen? Welche (sozialen) Profile auf Xing, LinkedIn, Facebook gibt es von ihnen? - Kontaktpflege
Und schon sind wir bei der Kontaktpflege und -auskunft. Viele „meiner“ Kontakte haben ihre Kontaktmöglichkeiten im Web hinterlegt. Warum sollte ich in „meinen“ Outlookkontakten nach Telefonnummer, E-Mail etc. schauen, wenn ich diese separat händisch pflegen muss? Welches Unternehmen hat schon ein zentrales Customer-Relationship-Management, das einigermaßen vernünftig gepflegt wird und ist? Insbesondere zu jemandem, der weder Lead noch Kunde ist? In der Realität pflegen die meisten Mitarbeiter ihre eigenen Kontakte separat – und dann meistens nur das für sie gerade Notwendige. Übrigens: Ich habe keine Kontakte.
Im privaten Bereich gibt es diese Angebote vielleicht nicht als Komplettpaket, aber doch durch Plugins wie Gist. Im Übrigen würde ein (abgeschlossenes) Komplettpaket die Nachfrage des Spaßfaktors nicht befriedigen können :-)
Unternehmen müssen lernen, die Nachfrage neuer und moderner Mitarbeiter zu befriedigen. Sie können dies nicht mehr mit einer „Hauspostille 2.0“ und dem Verordnen eines exklusiven Angebots.
Digital Social Workplace
McConnell skizziert die Entwicklungsstadien von Intranets und sieht eine zunehmende Öffnung der Unternehmensgrenzen. Im zukunftsorientierten „Modell D“ wird der digitale Arbeitsplatz zur Plattform eines erweiterten Unternehmens und zum sozialen Medium:
Model D is the most future-oriented. It considers the digital workplace to encompass not just the internal world but parts of the external world as well. This makes the “new intranet” a blend of managed, collaborative and social content. The digital workplace itself has become a platform for the extended enterprise.
[ Snapshot of the Digital Workplace ]
Ein Unternehmen kann sich nicht vernetzen. Es sind die Menschen des Unternehmens, die sich vernetzen. Der Mensch lässt sich nicht dividieren. Der Mensch ist ein soziales Wesen.
Der Digital Workplace ist sozial. Das „Social“ ist der wesentliche Charakter des Digital Workplace. Die Zukunft gehört dem Digital Social Workplace.
Wie sehen Sie das? Hat „Soziales“ im Intranet und am Arbeitsplatz nichts zu suchen?
„Wie sehen Sie das? Hat “Soziales” im Intranet und am Arbeitsplatz nichts zu suchen?“
Das ist natürlich suggestiv gefragt ;-) Doch, natürlich! Zwei Kernaussagen im Artikel haben mir gut gefallen. Zum einen dass Intranet heute nicht mehr nur ein Informationsangebot ist, sondern sich zum digitalen Arbeitsraum schlechthin entwickelt. Ich sehe das z.B. auch an der Entwicklung von MS Sharepoint.
Und – damit verbunden – ist es eigentlich banal, aber man muss es sich manchmal wieder bewusst machen: Menschen kann man nicht teilen in einen privaten und einen beruflichen Part. Klar haben wir alle Rollen, die wir in unterschiedlichen Situationen einnehmen, aber trotzdem sind wir immer soziale Wesen.
„Sozial“ i.S.v. neugierig, Beziehung knüpfend und pflegend, Kooperativität zeigend. Und auch: Gesellig. Und: private Kontakte können auch beruflich nützlich sein, und umgekehrt …
Insofern hat Soziales nicht nur was am Arbeitsplatz zu suchen, es ist aus meiner Sicht sogar eine Voraussetzung für wirklich produktives Arbeiten. Dieses Menschelnde macht uns die anderen ja auch vertraut, und Vertrautheit sorgt wiederum für Vertrauen – eine wichtige Voraussetzung für kooperatives Verhalten.
Stimmt, Menschen kann man nicht teilen. Beruf und Privat sind für mich Sphären, die sich überlappen.
Ich schaue mir einfach nur das „real existierende“ soziale Leben in Unternehmen an und sehe: Kaffeeküche, gemeinsam Mittagessen gehen, Small-Talk über Wetter, die Kinder und den Verein und die Rush-Hour. „Soziales“ gab es schon lange im Unternehmen, bevor noch jemand an ein Intranet dachte. Die Nähe zwischen Kollegen ist sehr unterschiedlich, mal beschränkt auf das beruflich Wesentliche, mal trifft man sich auf einen Kaffee oder ein Bierchen zum Workout. Manchmal wird der Arbeitskollege zum Freund und manchmal sogar umgekehrt.
Wenn ich mich „privat“ mit einem Freund über ein berufliches Thema unterhalte, und er gibt mir interessante Informationen – warum soll ich die nicht verwenden und ihm später kein Feedback geben (unter Berücksichtigung meiner Pflichten als Angestellter / Verschwiegenheitspflicht)?
Das Intranet (bzw. der Digital Social Workplace) ist inzwischen soweit, viele dieser Beziehungen auch online abbilden zu können. Früher hat man Briefe/Memos geschickt, dann eine Email gesendet, jetzt gibt es schnell eine Instant Message mit der Intranetplattform (gelegentlich sogar 2 Stockwerke tiefer über Facebook). Es sind alles nur Kanäle, Medien, Plattformen, die Beziehungen abbilden und ermöglichen.
Ja: Beziehungen und Zusammenarbeit basieren auf Vertrauen. Egal, ob ich per Telefon oder IM kommuniziere :-)
Ich denke, da sind wir beide sehr weit beieinander :-)