Der Artikel von Hubert Burda in der FAZ und die Hamburger Erklärung haben für einigen Wirbel gesorgt. Ich für meine Person bekenne, dass ich diese Hamburger Erklärung gar nicht so verkehrt finde. Schließlich bin auch ich Autor, Publisher 2.0 und mein eigenes Medium und möchte nicht enteignet werden.
Folgerichtig muss natürlich das deutsche Urheberrecht und Zitatrecht überarbeitet werden: Jeder Urheber muss, wenn er zitiert wird, eine Vergütung erhalten. Die Höhe der Vergütung soll sich nach meiner Vorstellung an Angebot und Nachfrage orientieren – schließlich haben wir in Deutschland (noch so ziemlich) eine Marktwirtschaft. Ich denke darüber nach, zunächst eine gestaffelte Flatrate für Zitate aus meinen Werken anzubieten:
- Monatlich 50 Euro für maximal 3 Zitate, jeweils nicht länger als 140 Zeichen
- Monatlich 100 Euro für maximal 8 Zitate, jeweils nicht länger als 280 Zeichen
- Monatlich 200 Euro für maximal 20 Zitate, jeweils nicht länger als 1400 Zeichen
- Jährlich 10.000 Euro für ein unbegrenztes Zitatrecht aus meinen Werken
[ Druckerzeugnisse sind hiervon grundsätzlich ausgenommen ]
Selbstverständlich bin ich kein Unmensch: Ich biete der Enteignung drohenden Urhebern, Autoren und Medien im Einzelfall verhandelbare Sonderkonditionen (bis zum unentgeltlichen Verwertungsrecht) an. Ich werde mich dabei im Allgemeinen recht großzügig zeigen: Zu diesen Einzelfällen dürften beispielsweise Blogger, Twitterer oder Social Networker gehören, wenn sie mich in einem Blogartikel zitieren oder mich retweeten wollen. Klassische Verlagshäuser oder Verleger beispielsweise dürften vermutlich nicht diesen Sonderkonditionen unterliegen – insbesondere, wenn in ihrem Namen die Zeichenfolgen "bur" oder "da" vorkommen.
Andererseits schreibt Hugo E. Martin über die Initiative:
Die Initiative richtet sich, so schreibt Silja Elfers, insbesondere gegen Suchmaschinen und anderen Content-Aggregatoren, die mit" dem geistigen Eigentum von Verlagen" Erlöse erzielen … da darf man schon einmal fragen, mit was Verlage eigentlich Erlöse erzielen und ob "Leistungsschutzrechte" gleich "Rechte an geistigem Eigentum sind" sind?
[ Hugo E. Martin: 166, darunter 148 deutsche Verlage unterzeichnen "Hamburger Erklärung" ]
Das lässt mich doch darüber nachdenken, wie denn die armen der Enteignung entgegensehenden Verlage noch ein paar Cents dazu verdienen wollen. Wie könnte das beispielsweise für Burda aussehen? Denn Burda hat doch dann das Problem, dass sie zwar eine Vergütung für ihre Inhalte bekommen werden – doch sie müssen ja leider einen angemessenen Teil dieser Vergütung an die Urheber, angestellte oder freie Autoren, weiterreichen. Wie schade, wie unfair.
Dies scheint mir aber nur ein Mengenproblem zu sein. Burda könnte seine Einnahmen mit zusätzlichem Traffic und Werbung erhöhen. Burda könnte beispielsweise Twitter-Mitteilungen oder öffentliche Statusmeldungen aus sozialen Netzwerken wie Facebook zu einem Thema bündeln und dazu die passende Werbung verkaufen. Das ist doch ein super Geschäftsmodell, oder?
Sicherheitshalber suche ich im Netz danach, ob mir nicht schon jemand anderes zuvor gekommen ist. Oh je, ich bin zu spät! Da schreibt doch tatsächlich ein Holger Schmidt ausgerechnet auf FAZ.net:
Während der Mikroblogging-Dienst Twitter noch über die Frage des Geldverdienens nachdenkt, preschen die ersten Twitter-Applikationen mit Geschäftsmodellen vor: Tinker.com heißt die Seite des amerikanischen Medienunternehmens Glam, die Twitter-Mitteilungen oder öffentliche Statusmeldungen aus anderen sozialen Netzwerken wie Facebook zu einem Thema bündelt und die passende Werbung dazu verkauft. "Mit Tinker.com helfen wir, Echtzeit-Trends und Veranstaltungen zu monetarisieren", sagte der Glam-Gründer Samir Arora gegenüber dem amerikanischen Blog Techcrunch.
[ Tinker.com: Online-Werbung in Echtzeit ]
Das ist aber blöd. Jetzt schreibe ich aber schnell an Burda und verkaufe denen mein Geschäftsmodell als neu. Oh je, auch da zu spät! Denn Holger Schmidt schreibt weiter:
Tinker.com fasst alle Tweets, die zu einem Ereignis auf Twitter geschrieben werden, zusammen, erklärt Burda-Manager Marcel Reichart. Burda ist seit dem vergangenen Jahr an Glam beteiligt. Diese Ereignisse können echte Veranstaltungen sein, aber auch Aktuelles wie die Verurteilung des Betrügers Bernie Madoff zu 150 Jahren Gefängnis.
[…]
Die Preise, die Werbetreibende im Umfeld dieser Live-Diskussionen zu zahlen bereit wären, seien deutlich höher als normal. Die Einnahmen teilt sich Glam dann mit dem Betreiber der Internetseite.
[ Hervorhebungen von mir ]
Das ist Burda ja quasi schon mittendrin in meinem tollen Geschäftsmodell. Und sie wollen ihre Einnahmen mit Webseiten (z.B. von Veranstaltern) teilen, die ihre Livesuchergebnisse inklusive Werbung auf ihren Seiten einblenden. Allerdings nicht mit denjenigen, deren Inhalte Tinker (d.h. Burda) abgreift. Hier zeigt sich die Verlogenheit einer Branche, die sich angeblich von einer Enteignung bedroht fühlt:
- Die Branche will eine Vergütung, wenn andere ihre Inhalte verwenden.
- Sie jedoch verwendet Inhalte anderer Autoren und Publisher und zahlt keinen Cent dafür!
- Damit arbeitet diese Branche selbst gnadenlos an der Enteignung von Autoren und Publishern!
Angesichts dieser abstrusen Verlogenheit wird mir übel, richtig übel!
Nachtrag: Den letzten Satz habe ich durchgestrichen, denn er entspricht nicht der von mir geforderten neuen Berufsethik. Auch wenn dies nur ein Blog ist, darf ich nicht in Polemik abgleiten – zumindest nicht allzu sehr :-)