Verzeihen Sie, dass ich Ihnen keinen Leserbrief schicke. Das mache ich sehr selten, eigentlich … nie. Doch in Ihrem Falle möchte ich eine Ausnahme machen. Ich bin jemand, der gerne Ausnahmen macht. Wenn ich einen Leserbrief schreibe, dann lese ich oder habe ich etwas gelesen von jemandem, dem ich mit meinem Leserbrief etwas mitteilen möchte. Das trifft bei Ihnen nicht zu.
Zwar habe ich etwas von Ihnen gelesen, aber nur ganz wenig. Beispielsweise habe ich irgendwann irgendwo – ich glaube auf Twitter – irgendetwas über Sie gelesen. Und dann habe ich in sogenannten Weblogs irgendetwas über Sie aufgeschnappt. Ich weiß noch nicht einmal, was das war. Zunächst dachte ich, Sie seien eine Art Chefkoch bei der IBM. Ich glaube, es ging um Ente.
Dann habe ich ein Interview mit Ihnen gelesen. Das hat mich wieder zu dieser sinnraumenden Seite in dem Internet geführt, die ich schon irgendwann einmal gesehen aber nicht gelesen hatte. Das habe ich jetzt. Teilweise jedenfalls.
Zumindest bin ich jetzt neugierig geworden. Schuld daran ist Ihre Seite in diesem Internet, denn dort stehen Texte von Ihnen. Vieles enthält bereits Tagesgedanken. Irgendwo schrieben Sie da auch, möglicherweise sei es schwierig gewesen, in einem Ihrer Texte ihre Ironie zu erkennen. Das wäre ein guter Ansatz für einen Leserbrief. Ironie ist heutzutage so schwer zu erkennen. Selbst wenn man sie erkennt, war sie meistens vom Schreiber gar nicht beabsichtigt. Die Gefahr besteht im Gegenzug allerdings darin, zu sehr in Sarkasmus abzugleiten, um Ironie erkennbar zu vermitteln. Es ist schwierig mit der Ironie und auch mit der Dosierung derselbigen. Dabei ist Ironie so wichtig, sie macht das Leben so erträglich und lustig. Viele möchten das jedoch nicht, besonders wenn es um Ironie am Arbeitsplatz geht. Ich habe gehört, Ironie sei der eigenen Karriere abträglich. Das kann ich nicht beurteilen, ich habe keine.
Philosophie ist auch wichtig. Ethik ebenfalls. In beidem versuche ich mich gelegentlich. Oft jedoch gleite ich in Ironie oder Sarkasmus ab, und sowohl Philosophie als auch Ethik bleiben auf der Strecke. Das Verständnis bei mir und meinen Lesern sowieso. Es muss an mir liegen. Meine Versuche enden in aller Regel … unglücklich. Die neuen Wächter der basisdemokratischen Wertegesellschaft haben dafür sogar einen Ausdruck: #fail
Mein Problem besteht darin, dass ich fast nichts von Ihnen gelesen habe und Ihnen daher auch noch nichts mitteilen möchte. Deswegen kann ich Ihnen keinen Leserbrief schreiben. Schade eigentlich.
Vielleicht lese ich irgendwann einmal ein Buch von Ihnen. Vielleicht lese ich irgendwann einmal eine Ihrer nicht täglich erscheinenden Kolumne "Daily Dueck". Die Chancen dafür stehen jetzt gut. Vielleicht schreibe ich Ihnen dann einen Leserbrief, wenn ich mich denn traue. Heute jedenfalls nicht.