Kandidatencheck zur Landratswahl Mainz-Bingen am 7. Juni 2009

Am 7. Juni ist – gleichzeitig zur Europawahl – die Landratswahl im Lan…

Am 7. Juni ist – gleichzeitig zur Europawahl – die Landratswahl im Landkreis Mainz-Bingen (Wikipedia). Die Allgemeine Zeitung gab den drei Kandidaten Claus Schick, Dorothea Schäfer und Reinhold Stumpf jeweils 30 Sekunden Zeit, sich in einem Video vorzustellen ("Landratswahl: Kandidaten für Mainz-Bingen stellen sich vor"):

  • Claus Schick erzählt, was er schon alles geschafft hat und was er (wir) gerade tut. Aber nichts über seine Ziele für die nächsten Amtszeit.
  • Dorothea Schäfer will einen Zeitenwechsel und will sich großen kommenden Herausforderungen stellen – welchen Herausforderungen auch immer. Sie möchte einen Familienlandkreis (was ist das), eine verläßliche Schulpolitik (aber welche nur) und braucht dafür eine effektive Wirtschaftsförderung.
  • Reinhold Stumpf ist parteiloser Bürgermeister der Verbandsgemeine Bodenheim, kann noch in den Spiegel schauen und hat sich nicht verbiegen lassen. Er ist parteiunabhängig und kandidiert.

Mir sind die Informationen zu wenig. Doch zugegeben: 30 Sekunden sind verdammt knapp. Bisher hat mich auch noch keine Information der Kandidaten erreicht. Ich will also mehr wissen. Jetzt. Heute, am Samstag Nachmittag. Doch wo und wie?

Kandidaten im Netz?

Ich lese seit ein paar Jahren keine gedruckte Tageszeitung mehr. Meine Informationsquelle und Kommunikationsplattform ist das Netz. Doch wie präsent sind die Kandidaten im Netz? Wie kann ich die Kandidaten im Netz erreichen und etwas fragen? Was sagen die Kandidaten im Netz über sich und ihre Absichten? Wollen Sie mit mir im Netz reden? Oder erwarten Sie, dass ich persönlich in ihrem Büro zur Sprechstunde oder zu einer Wahlveranstaltung erscheine? Wie erfahre ich im Netz überhaupt, wann ich sie wo im "richtigen Leben" antreffen und mich gegen andere für eine Frage durchsetzen kann?

Ich suche daher nach den drei Kandidaten im Netz und verlasse mich dabei auf die normale Google- und Yahoo-Suche. Auf den ersten beiden Ergebnisseiten erwarte ich, Ergebnisse mit Links zu aussagekräftigen Seiten zu erhalten. Eine eigene Seite, oder eine Seite von der Partei oder … wo auch immer. Aber eben eine eigene Seite mit Kontaktangaben oder -möglichkeiten, Terminkalender etc.. Twitter, Facebook und Kollegen werde ich erst gar nicht bemühen – denn die Suche soll keine Mühe bereiten.

Reinhold Stumpf

Über die Suche nach dem Namen erhalte ich bei Google und Yahoo lediglich Links zu Zeitungsartikeln. Auch die Namenssuche in Verbindung mit "Bodenheim" bringt keine wesentlichen Erkenntnisse. Eine Auswahl:

  • VG-Chef will Landrat werden
    Artikel im Main-Rheiner vom 18.03.2009 ("Parteiloser Reinhold Stumpf kündigt Kandidatur für Wahl am 7. Juni an")
  • "Unabhängigkeit bewahren"
    Artikel im Main-Rheiner vom 27.04.2009 ("Kandidat Reinhold Stumpf stellt sich vor und blickt auf Höhen und Tiefen") 
  • Stumpf kündigt Kandidatur für Direktwahl am 7. April an
    Allgemeine Zeitung vom 17.03.2009
  • Kreis sieht kein Dienstvergehen
    Artikel im Main-Rheiner vom 06.02.2009 ("Ermittlungen gegen Stumpf eingestellt"). Interessant ist hierbei, dass Stumpf nach diesem Artikel im AZ-Interview das Burnout-Syndrom als Ursache für eine mehrmonatige Ausfallzeit in 2008 genannt hatte.
  • Kreis will mit Stumpf reden
    Der Artikel im Main-Rheiner vom 19.07.2008 ("Brief an erkrankten VG-Bürgermeister") erwähnt unter anderem, dass Stumpf bereits 2007 sechs Monate erkrankt gewesen sei.
  • "Er beherrscht nicht das Handwerk"
    Artikel in der Allgemeinen Zeitung vom 02.05.2009 ("VG-RAT Parteien kritisieren vehement Bürgermeister Reinhold Stumpf wegen des ‚Chaos des Haushaltsentwurfs 2009’").

Stumpf im Netz: Fehlanzeige. Damit wäre das Thema für mich eigentlich erledigt. Eigentlich. Doch diverse Artikel im Netz veranlassen mich zu einer Meinung: Stumpf war 2007 und 2008 mehrere Monate erkrankt und nannte als Grund für 2008 ein Burnout-Syndrom. Jetzt möchte Stumpf Landrat werden. Das läßt mich – gelinde ausgedrückt – stutzen und wenig Vertrauen in ihn haben. Außerdem scheint es erhebliche Kritik an ihm zum Haushaltsentwurf 2009 zu geben.

Stumpf hat es versäumt dorthin zu gehen, wo über ihn geschrieben wurde. Gerade, weil das Netz ein eher negatives Bild von ihm zeigt, hätte er eine eigene Präsenz aufbauen, sich positionieren sollen und Stellung zu den Berichten über seine Krankheitszeiten nehmen sollen. So sehe ich nur ein eher negatives Bild über ihn. #fail

Dorothea Schäfer

Dorothea Schäfer fällt auf. Genauer gesagt: Ihre persönliche Website "Dorothea Schäfer" ist an erster Stelle der Suchergebnisse. Dort verlinkt sie auf www.zeitenwechsel.info, ihre Website zum Wahlkampf. Auf beiden Websites gibt es Bilderserien, Kontaktmöglichkeit via Email, Telefon (Büro und privat)l, Termine (wobei die Termine allerdings nur bis zum 20.05. gehen), das Wahlprogramm der CDU, Ziele für die Tätigkeit als Landrat, Biographie, Reden. Es gibt sogar einen RSS-Feed – aber der letzte Eintrag ist vom 10. Dezember 2008.

Für ihre persönliche Website gibt es eine Mobile-Ansicht. Die Kampagnenwebsite sieht "angefangen aber nicht fertiggemacht" aus.

Zusätzlich gibt es noch weitere Ergebnisse, die Informationen und Kontaktmöglichkeiten aufzeigen:

Insgesamt bekomme ich den Eindruck zweier traditionellen Auftritte, die mäßig gepflegt sind und leicht vernachlässigt erscheinen.

Claus Schick

Es gibt jede Menge Einträge bei Google und Yahoo zu Zeitungsartikeln. Es ist fast überwältigend, wo und für welche Gelegenheiten  ein Zeitungsartikel für Claus Schick geschrieben wurde. Bei Google hätte ich dann doch fast einen Ergebniseintrag an sechster Stelle übersehen: "Claus Schick und Freunde" mit der Adresse www.claus-schick.info. Nahezu unscheinbar. Wer würde auch da den Auftritt eines Landrats vermuten. Denn der Titel (also der "Title Tag") der Seite lautet schlicht und einfach "Startseite". Kein Wunder, dass die Seite nicht an erster Stelle steht.

Immerhin: Es gibt einige Berichte von Auftritten und Bilder. Das letzte Bild ist vom 12. Mai. Schicks Termine sind bis zum … 7. Juni gepflegt. Applaus! Zur Person, Erreichtes, Ziele. Die Ziele könnten ausführlicher erläutert sein, aber auch hier: Immerhin. Der Downloadbereich ist … leer. Kein einziger Download. Bei Presse gibt es keine Pressemitteilungen, sondern Links zu aktuellen Presseartikeln (der Allgemeinen Zeitung). Bei Kontakt gibt es Telefonnummer, Email-Adresse und Kontaktformular.

Auch ein traditioneller Auftritt. Schick ist im Netz ebenfalls nicht interaktiv, aber: Immerhin. Ein Achtungserfolg.

Website Landkreis Mainz-Bingen

Das muss ich einfach noch erwähnen. Auf der Website des Landkreises Mainz-Bingen finde ich auf Anhieb außer den amtlichen Bekanntmachungen keine Informationen zu den Wahlen. #fail

Fazit

Das Netz ist anscheinend für Lokalpolitiker sogar noch im Wahlkampf ein weißer Fleck auf der Landkarte. Für mich ein schwarzer Fleck auf den Westen der Politiker. Trotz des Achtungserfolgs von Claus Schick ist mir klar: Außer einer persönlichen Website, die im brutalstmöglichen Fall mit Bildern und Berichten aktuell gehalten wird, gibt es das Netz und schon gar nicht das Web 2.0 zumindest für die Landtagswahl in Mainz-Bingen nicht. Genau genommen: Es gibt ein Web 0.9. Mehr aber auch nicht.

Was würde ich machen? Eine persönliche Website mit Links und Badges zu anderen Auftritten (z.B. Facebook, XING). Ein Blog kann zeitaufwändig sein, also vielleicht ein Gemeinschaftsblog mit einem oder zwei Mitkämpfer (aber mit offenem Visier). Mikroblogging wäre nicht nur Pflicht, sondern würde meine Follower auch über meine Tätigkeiten auf dem Laufenden halten. Über Friendfeed würde ich meine Aktivitäten transparent machen. Auf meiner persönlichen Website gäbe es natürlich Widgets (z.B. von Friendfeed). Auf jeden Fall würde ich mir fürs Netz eine Strategie überlegen ;-)

Autor: Frank Hamm

Frank Hamm](https://frank-hamm.com) (* 14. April 1961 in Ingelheim am Rhein) ist ein deutscher Kommunikationsberater, Blogger und Autor. Hamm lebt in der Ortsgemeinde Selzen (Rheinhessen). Im INJELEA-Blog behandelt er seit 2005 Fachliches aus Kommunikation, Produktivität, Kollaboration und Intranets. Als Der Entspannende berichtet Hamm über Wandern, Genuss und Kultur in Deutschland. Sein gleichnamiges Blog gehört zu den etablierten deutschsprachigen Wanderblogs. Subjektives aus Raum und Zeit veröffentlicht er in seinem Kolumnen-Blog Der Schreibende. In den Sozialen Medien ist Hamm aktiv auf Twitter als @DerEntspannende und als @fwhamm, auf Facebook als Der Entspannende und auf Instagram als Der Entspannende. Nachrichten und Anfragen beantwortet Hamm per E-Mail via frank@frank-hamm.com.