
Stefan “Hirnrinde” Evertz fragt in seiner Blogparade nach dem ersten BarCamp. Mein erstes Mal war das BarCamp Frankfurt im April 2007 bei Cisco. Nervös und blauäugig zugleich ließ ich mich auf dieses Experiment ein. Was sollte schließlich schiefgehen? Alles ging schief: Mein Leben geriet aus den Fugen.
Im Februar oder März 2007 erfuhr ich von diesem BarCamp, das ein paar Blogger in Frankfurt organisieren wollten. Eigentlich wollte ich nur da hin, weil das eine tolle Gelegenheit zum Kennen lernen der ganzen Blogger war. Wie bei jeder Konferenz ein bisschen berieseln lassen und ansonsten wie bei jeder Konferenz viel Kaffee trinken bei viel Networking. Das war mein Plan. Irgendwann muss mich wohl irgendjemand gefragt haben, ob ich denn auch eine “Session” halten würde. Anders kann ich mir die Katastrophe nicht erklären. Denn leichtsinnigerweise beschloss ich genau dieses zu tun.
Unternehmenskultur, Wert, Bloggen
Was macht ein Blogger, wenn ihm nichts einfällt? Er erzählt übers Bloggen. Dazu packte ich noch eine Prise Corporate Blogging und eine Prise Unternehmenskultur. Dann schraubte ich eine Präsentation zusammen. Der Inhalt passt großteils noch immer. Aus heutiger Perspektive sieht die Präsentation jedoch furchtbar aus. Doch damals war ich noch jemand anderer.
Die Infektion
Obwohl ich versucht hatte, mich vorab zu informieren, war ich nicht auf die Infektion mit diesem BarCamp-Virus vorbereitet. Nicht wirklich hatte ich bei meinem klassischem Werdegang (Offizier, Betriebswirt) damit gerechnet, dass so etwas wie eine Unkonferenz funktionieren könnte. Doch Unkonferenzen funktionieren. Ich lernte viele viele verschiedene und faszinierende Menschen und Themen kennen. Einige kenne ich immer noch und treffe ich immer noch mal wieder. Zusammen mit Thomas Wanhoff war es mein erstes BarCamp. Saftdieb Gerrit van Aaken habe ich schon länger nicht mehr getroffen. Oliver Gassner und ich laufen uns immer mal wieder über die Füße. Uwe Hauck kenne ich inzwischen schon lange, aber warst Du auf dem BarCamp 2007 in Frankfurt (auf dem BodenseeCamp war ich damals nicht)?
Am Morgen danach ratterte es immer noch ständig in meinem Kopf, um die ganzen Eindrücke, Gespräche und Informationen vom BarCamp Frankfurt zu verarbeiten. Immer noch wusste ich nicht so genau was da passiert war:
Menschen, Informationen, Gespräche, Kommunikation, Improvisation, gleiche Augenhöhe, keine Hierarchien, Interaktion, Lernen, Denken, Kennen lernen, Freuen, Spaß, Wir-Gefühl, Anders Denken
Wie war es?
Gnadenlos kopiere ich aus meinem Artikel von vor über sechs Jahren:
Als ich mich anmeldete, dachte ich mir: “Was kannst Du denn dazu beitragen? Kannst Du überhaupt eine Session ‘halten’? Wen interessiert das, was Dich interessiert?” Erst in der Woche vor dem BarCamp hat sich so langsam das Thema kristallisiert. Jedoch dachte ich irgendwie: “Vielleicht interessiert es die Leute gar nicht so richtig, was du zu sagen hast, aber vielleicht hören sie Dir zumindest höflich bei einer Präsentation zu”. Am Donnerstag habe ich dann eine so richtig klassische Präsentation zusammengestellt: “Unternehmenskultur, Werte, Bloggen”. Noch beim Losfahren am Samstag Morgen war ich aufgeregt und dachte mir: “Ist überhaupt jemand interessiert? Vielleicht bekommst Du ja einen Raum mit 8 oder 10 Leuten zusammen.”
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Bei der Vorstellungsrunde der Sessions nannte Christian Korff von Cisco Systems am Samstag Morgen sein Thema “Blogs, Podcasts, Wikis in Unternehmen”, und ich nannte kurz darauf mein Thema. Robert (Basic) meinte recht trocken, die Themen seien ähnlich und würden zueinander passen – ob wir die Sessions nicht zusammen legen wollten. Und bevor ich überhaupt wusste, welche Meinung ich dazu haben sollte, hatten Christian und ich “ja” gesagt :-)
Da viele ihr Interesse bekundet hatten (bei Christian viel mehr als bei mir), waren wir dann im zweiten Slot im grossen Raum mit vielen Leuten (40 oder 50? Keine Ahnung). Viel Zeit zur Vorbereitung blieb nicht. Wir sprachen kurz über das Vorgehen und vereinbarten, mit meinen Folien anzufangen und loszulegen. “Toller Plan”, dachte ich, “das kann nur schief gehen. Wir beide kennen uns nicht, kaum einer kennt uns, und wir wissen beide nicht, was der andere sagen will oder wird.”
Tatsächlich habe ich von meinen 16 Folien nur eine Handvoll gezeigt. Was ich gut finde. Nicht weil ich nicht zu den Inhalten der Folien stehe, sondern weil wir durch die Folien einen guten Einstieg hatten, Christian direkt Beispiele aus der Praxis lieferte (u.a. Wikis, Podcasts) und eine Diskussion begann. Dann entwickelte sich ein Faden rund um Unternehmenskultur und Werte, der von allen gemeinsam gesponnen wurde. Viele unterschiedliche Ansichten ergänzten sich, “variierten sich” und ergaben ein Bild. Vielen Dank an Christian und die lebhaften Teilnehmer!
Dynamik
Irgend ein Militärstratege hat einmal sinngemäß gesagt: “Kein Plan überlebt die erste Schlacht, aber ohne Plan übersteht die Front nicht das erste Aufeinandertreffen.”. Mir hat das Erstellen der Präsentation sehr geholfen, meine Gedanken zu sammeln und mir bewusst zu werden, worüber ich sprechen will. Aber der tatsächliche Ablauf war viel dynamischer, lebhafter und mit vielen Bällen (Informationen und Bälle, die hin und her geworfen wurden) versehen, das hat mir wahnsinnig viel gebracht und Spaß gemacht. Man muss einfach nur die Dynamik zulassen, dann entsteht etwas Besonderes.
Fotos
Damals gab es tatsächlich schon Flickr, und tatsächlich gibt es Flickr auch noch. So kann ich auf meine Fotos von damals zurückgreifen und in Erinnerungen schwelgen im Fotoalbum BarCamp Frankfurt 2007.
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Wie ging es weiter?
In Folge geriet ich immer tiefer in einen Strudel aus Kommunikation, Kollaboration, Vernetzung und Veränderung. Im Jahr danach begann ich als 47-Jähriger ein PR-Studium. Obwohl ich scheinbar keine silbernen Löffel geklaut hatte kündigte ich nach über elf Jahren meinen Job bei einer Bank. Nach weiteren zwei turbulenten Jahren bin ich jetzt selbständig und Berater für Kommunikation und Kollaboration. Ich hätte mir das alles sparen können und weiterhin ein klassisches Rädchen 1.0 bleiben können. Wollte ich aber nicht, und will ich auch nicht. Vermutlich sagen das alle Süchtigen und Infizierten.
Doch deswegen war das BarCamp Frankfurt 2007 wie damals von mir angedroht nicht mein letztes BarCamp ;-) Pro Jahr bin ich etwa auf drei oder vier BarCamps. Dazu kommt eine dynamische Welt, von der ich vor sieben Jahren nichts geahnt hatte. Kommendes Wochenende fahre ich zum BarCamp Stuttgart, am Freitag danach zum Corporate Learning Camp nach Frankfurt.
Sehen wir uns dort?
P.S. Ich bin ich immer noch davon überzeugt, dass es nicht nur im Krieg sondern auch in Unternehmen gilt (Napoleon Bonaparte zugeschrieben):
Ein Mann riskiert nicht für einen jämmerlichen Sold sein Leben. Man muss seine Seele ansprechen, um ihn zu elektrisieren.
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