Die Medienwelt ändert sich, heißt es. Doch was bedeutet dies heute konkret anhand der Minenrettung in Chile? Meine Tageszeitung kommt heute aus Chile via Twitter, Tweetdeck und Flickr.
Ich lese schon länger keine gedruckte Tageszeitung mehr. Ich lese auch keine einzelne Onlinequelle, die mir Nachrichten zusammenstellt. Ich suche keine aktuelle Nachrichten: Die Nachrichten finden mich. So geschehen heute. In meinem Twitterstream sehe ich das, was andere für mich irgendwo aufgeschnappt haben. Michael Reuter hat eine Kurznachricht („Tweet“) zitiert („retweetet“) und die erschien prompt auf meinem Tisch („Tweetdeck„). Es gibt offizielle Bilder von der Minenrettung in Chile, die gerade jetzt auf Flickr eingestellt werden:
Die chilenische Regierung stellt die Bilder von der Rettung der Minenleute auf Flickr ein:
These photographs are property of the Government of Chile for editorial use only. Images should be credited: Hugo Infante/Government of Chile
Und somit erlebe ich (nahezu) live, wie der erste Minenarbeiter Florencio Avalos gerettet wird.

Florencio Avalos, 31, becomes the first miner to exit the Phoenix rescue capsule after an accident trapped 33 miners for 68 days in the San Jose mine near Copiapo, Chile the night of October 12, 2010.
Für mich hat sich die Medienwelt definitiv geändert. Die chilenische Regierung hat die Veränderung ebenfalls erkannt und stellt die offiziellen Bilder nicht nur der Presse sondern allen zur Verfügung: In einem eigenen „Kanal“ auf Flickr. Deswegen sehe ich keinen Bedarf mehr für eine klassische Tageszeitung auf der Jagd nach schnellen Nachrichten – sei es gedruckt oder online. Beim Betrachten von Onlineversionen der Tageszeitungen wird mir eines klar: Die „Content-Syndication“ von Inhalten nimmt zu. Dabei greifen die Redaktionen immer öfter direkt auf die Inhalte (Text, Bild, Video und Audio) von Primärquellen zu. Primärquellen wie einem Fotografen vor Ort, einem Blogger (der auch Journalist sein kann :-) ), einem Bürger.
Meine „Tageszeitung“ war schneller als andere. Die ZEIT (auch wenn sie eigentlich eine Wochenzeitung ist) bringt ihren Artikel „Die ersten Kumpel sind frei“ später.
In Chile hat die Bergung der verschütteten Bergleute begonnen. Die ersten beiden Kumpel erreichten in einer Rettungskapsel unter großem Jubel die Erdoberfläche.
Doch darin sind eine Zusammenfassung und Hintergrundinformationen enthalten. Später werde sicherlich noch andere Artikel folgen. Darin sehe ich eine Chance für Nachrichtenplattformen: Die Inhalte der Primärquellen (die „Primärnachrichten“) recherchieren, zusammenfassen, bewerten, nachhaken, kommentieren. Qualitätsjournalismus eben. Aber nicht die schnelle Nummer für zwischendurch.
Mag sein, dass einige dies als „Sensationsjournalismus“ empfinden. Mag sein, dass dies von Medien „ausgeschlachtet“ wird. Jetzt und heute freue mich einfach für die Minenarbeiter und ihre Familien.
P.S.: Das Foto im Artikel der ZEIT ist von Reuters – die ZEIT hätte auch eines von Flickr nehmen und verlinken können ;-)