Nexialist und Nexialismus im Unternehmen

In Unternehmen herrschen Tunnelblicke. Doch Unternehmen brauchen heute verknüpfte Spezialisten und Generalisten, die Anwendungswissen und Forschungswissen für das Unternehmen greifbar machen. Unternehmen brauchen Nexialisten.

Graph (Nexus)

In Unternehmen herrschen Tunnelblicke. Erfolgreich war bisher in Unternehmen, wer als Spezialist über einen Wissensvorsprung vor anderen verfügte. Unternehmen aber brauchen heute verknüpfte Spezialisten und Generalisten, die Anwendungswissen und Forschungswissen für das Unternehmen greifbar machen. Unternehmen brauchen Nexialisten.

Als Person und als Berater für Kommunikation und Kollaboration halte ich Enterprise 2.0 für ein Konzept, das Grenzen in Unternehmen und über Unternehmensgrenzen hinaus überwinden hilft und Unternehmen flexibler macht. Als Science Fiction-Fan bin ich überzeugt, dass Szenarien und Verknüpfungen gedacht werden können. Ich sehe mich selbst seit einiger Zeit als “Nexialist”. Ich lehne mich mich jetzt aus dem Tellerrand, aber ich glaube, dass mit „Nexialisten“ das grundlegende Problem des “Wissensmangements” und der Silos in Unternehmen angegangen werden kann.

Fehlende Verknüpfungen in Unternehmen

Die klassische Unternehmenswelt ist durch den Taylorismus geprägt. Dieser führt zur Bildung von hierarchischen Silos, in denen Wissen gehortet und vor dem Zugriff anderer Zuständigkeiten gehütet wird. Denn jeder, der außerhalb des eigenen Silos sitzt, ist ein Konkurrent. Das bezieht sich nicht nur auf Organisationseinheiten und deren Vertreter (beispielsweise Abteilungsleiter) sondern auch auf “ganz normale” Kollegen, die früher oder später im Karriereweg als Konkurrenten das eigene Fortkommen behindern könnten.

Damit steht dem Unternehmen viel Wissen nicht zur Verfügung obwohl es ganz konkret bei der Lösung eines Problems helfen könnte (“Anwendungswissen”). In Folge findet auch gerade ein präventiver Austausch zwischen Personen nur erschwert statt. Ein präventiver Austausch behebt nicht absehbar ein konkretes Problem, bildet aber Grundlagen für zukünftige Fälle. Ich nenne dies das “Forschungswissen” von Unternehmen.

In Unternehmen fehlen meistens Personen, deren Aufgabe die Verknüpfung der verschiedenen Wissensträger und Silos für beide Szenarien (Anwendungswissen und Forschungswissen) ist. Unternehmen setzen darauf, dass im Projektfall die nötigen Personen aus dem gesamten Unternehmen zusammengetrommelt werden und für eine mehr oder weniger konkrete Problemstellung eine Lösung finden.

Doch wer weiß dann überhaupt, wer über das nötige Wissen verfügt? Und wer ist dazu bereit, selbst im Rahmen eines Projektes, den anderen für ihn wertvolles Wissen zur Verfügung zu stellen? Abgesehen davon, dass die Verknüpfung des Wissens bereits längere Zeit zuvor hätte stattfinden müssen, um die Grundlagen zu bilden…

In der Enterprise 2.0 Welt ist oft die Rede davon, über den Tellerrand zu schauen. Die Vernetzung mittels Enterprise Social Networks beispielsweise soll durch die Verbindungen und die Verknüpfungen sowohl zu einer erhöhten Verteilung des vorhandenen Wissen als auch zu einer Generierung von neuem Wissen führen.

Es fehlt ein Nexus (lat.: Verbindung, Gefüge), das die verschiedenen “Universen” verbindet (siehe auch: Star Trek: Treffen der Generationen) Versuche, solche Verknüpfungen verschiedener Silos oder Mikrokulturen für eine grundsätzliche Anpassung oder sogar Änderung des Systems über hierarchische Gliederungen wie Change Manager oder Diversity Manager zu erreichen, waren nach meinem Dafürhalten nicht sonderlich erfolgreich, weil sie mit meist mit alten Strukturen neue Verbindungen erzeugen sollten. Außerdem war deren Aufgabe nicht die grundsätzliche Änderung und Ergänzung des Systems sondern die Behebung einzelner Schwachstellen des Systems.

Nexialisten in der Science Fiction

Alfred Elton van Vogt (A. E. van Vogt) definierte “Nexialist” im Jahr 1950 in seinem Werk “The Voyage of the Space Beagle”:

One skilled in the science of joining together in an orderly fashion the knowledge of one field of learning with that of other fields.

Oder, wie van Vogt den Protagonisten Grosvenor sagen ließ: “applied whole-ism“.

A. E. van Vogt war Science Fiction Autor und erkannte, dass das Spezialistentum dem Generieren und Finden von Wissen abträglich sein kann – und sogar tödlich. In “Black Destroyer” beschrieb er 1939 Jahren die Geschichte der Bestie Coeurl, die ein Erkundungsraumschiff erobern will. Später, 1950, wurde diese Geschichte Bestandteil des Sammelbands “The Voyage of the Space Beagle” (übrigens eine Anspielung an Darwins „The Voyage of the Beagle„. Ein Nexialist (der Protagonist Grosvenor) rettet durch die Verknüpfung von Fachwissen ein ganzes Raumschiff, sogar die ganze Menschheit, vor dem Außerirdischen. Parallelen mit den späteren Plots von Star Trek und Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt sind auffällig (A. E. van Vogt bekam nach einer außergerichtlichen Einigung von 20th Century Fox eine Entschädigung).

Ein paar Jahre später zog der Nexialismus auch bei Perry Rhodan ein. Zu den bekanntesten Nexialisten im “Perryversum” zählen Sato Ambush, Horation Denver und der Barkonide Nex.

Als Nexialisten (abgeleitet von lat. Nexus = Verbindung) werden Wissenschaftler bezeichnet, die sich nicht auf ein Fachgebiet spezialisieren, sondern die Erkenntnisse aus vielen verschiedenen Wissensgebieten interdisziplinär bei ihrer Arbeit berücksichtigen. Man könnte Nexialisten als »ganzheitliche Multiwissenschaftler« bezeichnen.

Ursprünglich hatten die Nexialisten lediglich die Aufgabe, als Koordinatoren für stark spezialisierte Wissenschaftler zu arbeiten. Durch den Einsatz der Nexialisten sollte vermieden werden, dass ein »Fachidiot« den anderen nicht mehr verstand. Der Nexialismus bzw. die Nexialistik hat sich allerdings […] als eigenständiger Wissenschaftszweig etabliert und wird an den Universitäten gelehrt.

[ Seite Nexialist. In: Perrypedia, Bearbeitungsstand: 31. Oktober 2013, 21:37. URL: (Abgerufen: 30. März 2014, 21:05) ]

Nexialisten in Unternehmen

Eigentlich müssten Unternehmen daran interessiert sein, in ihren Reihen den einen oder anderen Nexialisten zu haben. Denn die meisten Unternehmen (generell von Organisationen) fördern heutzutage aufgrund ihres funktionalen und tayloristischen Aufbaus in spezialisierten Organisationseinheiten ein starkes Konkurrenzdenken und eine isolationistischen Haltung. Sowohl vom Wissen und den Sichtweisen also auch von einem starren Logikdenken her ähneln die Organisationseinheiten darin den Wissenschaftlern, die van Vogt beschrieb:

Nexialism is basically a liberal arts version of science in a world where all scientists narrow-mindedly hold to their area of expertise and that focus only. Chemists only think in terms of chemistry, but with Nexialism, they can also apply principles from mathematics and geology and all the other sciences! Woah. Apparently scientists in the future are a dumb, egotistical lot, because the ship is wracked with infighting and politicking between the scientific disciplines, during all the alien incursions.

[ Battered, Tattered, Yellowed, & Creased ~ Adventures in Vintage Genre Fiction: The Voyage of the Space Beagle – A.E. van Vogt ]

Wer kennt sie nicht, die Meetings, bei denen sich die Teilnehmer vor allem um die eigenen Themen und die eigene Sphäre drehen. Und in denen die Spezialisten (ITler, PRler, Marketer, HRler..) vor allem auf ihre Sichtweise und auf ihre Interessen Wert legen – weil sie oft auch nur sie kennen und sie optimieren wollen.

Diese stark arbeitsteiligen Organisation war bisher vorteilhaft, weil es um die Effizienzsteigerung, um eine höhere Produktivität ging. Das ging (und geht auch jetzt noch in vielen Bereichen) gut, solange die Umwelt und die Märkte sich nicht zu schnell veränderten. In der inzwischen schnell wandelnden Welt und Wirtschaft geht es oft darum, nicht besser sondern anders zu werden. Für Unternehmen stellt sich ihre Umwelt nicht so sehr kompliziert sondern komplex dar zunehmend weniger existeren in einer eher komplexen den komplizierten Welt. Andere Erkenntnisse gewinnt man aber schlecht innerhalb von nahezu geschlossenen Systemen und mit Subsystemen, die kaum über Verbindungen verfügen.

Unternehmen basieren auf der Klassischen Logik, in der jede Aussage einen von genau zwei Wahrheitswerten hat, und in der jede zusammengesetzte Aussage eindeutig durch die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen bestimmt wird. Das setzt allerdings voraus, dass die Wirklichkeit vollständig erfasst wurde und es eindeutige Wahrheiten gibt. Als „Vater“ der klassischen Logik gilt Aristoteles. Van Vogt hat mit seinen drei Werken zur Welt der Null-A eine Welt (eigentlich mehrere Welten) beschrieben, in denen es um die (Er)Kenntnis einer Welt geht, die nicht den strengen Regeln der klassischen Logik folgt. Da geht es nicht um Wahrheiten sondern um Realtitäten, Semantik und Nichtklassische Logik.

Derzeit ergeht es Unternehmen oft wie den Physikern, die mit der klassischen Mechanik nicht weiterkamen. Da gab es plötzlich Dinge, die sich damit und mit strengen kontinuierlichen Ursache-Wirkung-Beziehungen nicht erklären ließen. Nun sind Nexialisten keine Quantenmechaniker, aber oft stehen Unternehmen vor der Herausforderung eines Quantensprungs ;-)

Die Aufgabe von Nexialisten ist die Verknüpfung verschiedener Spezialisten, Abteilungen, Geschäftseinheiten sowie deren Wissen und deren Sichtweise – also deren Wirklichkeiten. Nexialisten sind personifizierte springende Knotenpunkte des Unternehmensnetzwerks:

  • Ein Nexialist ist ein Netzwerker, der Verbindungen zu vielen Kollegen im eigenen Unternehmen als auch zu Kollegen in anderen Unternehmen hält. Bei Bedarf stellt der Nexialist Verbindungen zwischen den Kollegen her – auch unternehmensübergreifend
  • Der Nexialist kennt sich ausgesprochen gut in seinem Unternehmen aus (Organisation, Zuständigkeiten, Fachgebiete, Prozesse)
  • Ein Nexialist verfügt sowohl über ein umfangreiches Allgemeinwissen als auch über Grundwissen in den Wissensbereichen seines Unternehmens
  • Ein Nexialist ist ein Moderator, der in persönlichen oder politischen Zwistigkeiten vermittelt
  • Ein Nexialist gibt Anschübe über den Tellerrand – auch von außen – zu blicken

Mit diesen Anstößen lasse ich Sie jetzt… nicht alleine. Schließlich ist dies ein Blog mit Kommentarfunktion ;-)

Autor: Frank Hamm

Frank Hamm](https://frank-hamm.com) (* 14. April 1961 in Ingelheim am Rhein) ist ein deutscher Kommunikationsberater, Blogger und Autor. Hamm lebt in der Ortsgemeinde Selzen (Rheinhessen). Im INJELEA-Blog behandelt er seit 2005 Fachliches aus Kommunikation, Produktivität, Kollaboration und Intranets. Als Der Entspannende berichtet Hamm über Wandern, Genuss und Kultur in Deutschland. Sein gleichnamiges Blog gehört zu den etablierten deutschsprachigen Wanderblogs. Subjektives aus Raum und Zeit veröffentlicht er in seinem Kolumnen-Blog Der Schreibende. In den Sozialen Medien ist Hamm aktiv auf Twitter als @DerEntspannende und als @fwhamm, auf Facebook als Der Entspannende und auf Instagram als Der Entspannende. Nachrichten und Anfragen beantwortet Hamm per E-Mail via frank@frank-hamm.com.

10 Gedanken zu „Nexialist und Nexialismus im Unternehmen“

  1. Habe ich wie folgt komprimiert richtig verstanden?:
    Es geht hier um einen neuen Typ von Verbindungsmensch (V) zwischen Spezialistin 1 (S1) und Spezialist 2 (S2), welcher es besser als alle bisher bekannten Konzepte schafft S1 und S2 zu motivieren ihr zum Konkurrieren gebunkertes Wissen kooperativer offenzulegen als bisher – richtig?
    Wenn ja, wie?

    1. Komprimiert? Ja. Wobei V sowohl von Gebiet von S1 als auch von S2 so weit versteht und Ahnung hat, dass er als „Übersetzer“ fungiert. Beispielsweise mit und in Workshops, wenn verschiedene Siloträger miteinander können müssten sollen.

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