Ein Rant zu Lobos Merkel-Verdammnis

Gestern entspannte sich eine Diskussion in einem Facebook-Kommentar-Thread zu Sascha Lobos Kolumne, in der er Angela Merkels Digitalpolitik verdammt.

Gestern entspannte sich eine „Diskussion“ in einem Facebook-Kommentar-Thread zu Sascha Lobos Kolumne, in der er Angela Merkels Digitalpolitik verdammt.

Glasfaseranschlüsse von Haushalten in Europa: Deutschland auf dem letzten Platz. Internet-Wissen der Bürger in Europa: Deutschland auf dem letzten Platz. Das digitale Versagen hat einen Namen: Angela Merkel.

Nachfolgend ist aneinandergehängt der Inhalt von meinen beiden Kommentaren, auf die ich zuletzt unter anderem die Antwort erhielt, das sei doch blanke konstruierte Theorie. Und Fernsehen über Internet nutzte nur, wer eine schnelle Leitung habe. Zu letztem meine ich nur: Danke für die Begründung.

Ich verlinke nicht auf den Facebook-Post und kommentiere dort nicht weiter, denn „Don’t feed the troll„. Ich unterlasse es, die Angaben genauer mit Quellen und Links zu untermauern (bis auf die Grafik), denn dies ist ein Rant (Wiktionary). Und weil ich vermute, dass die eine oder andere Aussage des Kommentareifers geschuldet der sachlichen Korrektur bedarf, fordere ich gerne und ausdrücklich dazu auf:

DSL 6000 ist für viele Unternehmen die maximale Komfortzone. In vielen Regionen geht noch weniger – auch wenn und gerade weil es DSL **bis** 6000 ist. Das sind für Unternehmen unter Umständen 512 KBit/s oder weniger im Upstream verteilt auf ein paar Mitarbeiter. So wie beispielsweise in weiten Teilen Rheinhessens. Hier in meiner Gegend gibt es oft zwar DSL 16 Mbit/s aber gemäß Vertrag eben nur **bis**. Die DSL-Verbindung wird von der Vermittlungsstelle dann auf 8 oder 10 Mbit/s geschaltet. Effektiv ist die Geschwindigkeit im Download dann bei 6 bis 8 MBit/s. Unternehmen sind dann auf lahme Verbindungen angewiesen und sollen beispielsweise mit DATEV arbeiten, technische Konstruktionsunterlagen übermitteln oder mit dem SAP-System des Dienstleisters arbeiten (was sie müssen, um ihre internen Kosten im Vergleich zu Großunternehmen konkurrenzfähig zu halten). Glasfaser bedeutet auch nicht, dass der Endpunkt am Glasfaser hängt. Aber Glasfaser ist die Voraussetzung, dass die Verteilerkästen mit den oft noch uralten Siemens-DSL-Kisten umgerüstet und soweit angebunden werden, dass Endkunden überhaupt zuverlässig mit 6 Mbit/s oder mehr (im Download!) versorgt sind.
Und was machen die klassischen Telekomunternehmen? Verweisen darauf, dass die Kommunen eine Ausschreibung machen müssten. Damit die dann das wirtschaftliche Risiko tragen.

Bei den privaten, nicht-unternehmerischen Haushalten sieht die Nutzung durchaus etwas anders aus. Da haben wir dann gerade in schwach versorgten Regionen wie hier in der Mitte Rheinhessens mittlerweile viele Privathaushalte, in denen es durch die veränderte Mediennutzung so aussieht: Etwa 3 Mobilgeräte inkl. Tablet, 1 Notebook, Smart-TV, Internetradio (weil Analogempfang in vielen Tälern eingeschränkt und auch mit wenigen Sendern), eine Box von/für z.B. Amazon, Apple, Sky, Deutsche Telekom. Ein HDTV-Streaming beispielsweise von ARD oder ZDF zieht schon etwa 5,5 MBit/s. Gerade in ländlichen Gegenden ist durch die Abschaltung des analogen TVs die terrestrische Emfangssituation schlechter geworden. Bei den Kabelanbietern gibt es manchmal wie hier nur teure Lokalanbieter mit wenigen Zehntausend angeschlossenen Haushalten.

Dazu kommt, dass Telefonie oft nur noch über Internettechnologie läuft. Und selbst wenn am Endpunkt beim Privathaushalt die Leitung „Draht“ ist (also analog oder ISDN), dann kann netzintern per Internettelefonie übermittelt und später auf analog bzw. ISDN umgesetzt werden. Neue „Draht“-Anschlüsse (Analog- oder ISDN) gibt es praktisch sowieso nicht mehr. So gibt es bei O2 eine zubuchbare Option „ISDN-Komfort“, doch das sind von ISDN eingeführte Funktionen wie Anklopfen umgesetzt auf Basis von Voice over IP. Bei der Deutschen Telekom kostet ISDN extra, in 2018 will sie ISDN/Analog abschalten. Und die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass Analog bzw ISDN schnell bedeutungslos wird.

Weiterhin werden immer weniger Haushalte ausschließlich privat genutzt: Etwa 45 Prozent der Berufstätigen arbeitet zumindest hin und wieder von zu Hause aus (BITKOM) – wobei der Anteil der Selbstständigen insgesamt inzwischen deutlich über 10 Prozent der Erwerbstätigen liegt (Statistisches Bundesamt).

Insgesamt hat Deutschland eine durchschnittliche Internetgeschwindigkeit von 8,9 Mbit/s (Akamai State of the Internet Q2 2014), global stehen wir auf Position 28. Mit der dieses Jahr verkündeten Digitalen Agenda will die Bundesregierung eine weitgehende Abdeckung von 50 Mbit/s bis 2018 erreichen. Länder wie Finnland wollen dann bei 100 Mbit/s sein, Südkorea hat heute schon eine durchschnittliche! Geschwindigkeit von 24,6 Mbit/s.

Vernetzte Unternehmen: Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen
Vernetzte Unternehmen: Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Durch die nachrangige Versorgung sieht es im internationalen Vergleich auch für unsere Wirtschaft schlecht aus. Und das wiederum hat für die Privathaushalte sowohl auf der Einkünfteseite als auch auf der Ausgabeseite keine besonders guten Auswirkungen. Besonders auch, weil sich die Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (Statistisches Bundesamt) nachhaltig verschieben vom Industriesektor (von noch 36% in 1991 auf jetzt noch 30%) zum Dienstleistungssektor (von 62% 1991 auf jetzt 69%). Ich habe zwar keine offizielle Zahlen gefunden über den Anteil des Wissenssektors (Teil des Dienstleistungssektors), aber dessen Wirtschaftsbereiche wie Informations und Telekommunikationstechnologie wachsen konstant höher (Anmerkung: Die bessere Forumulierung wäre „insgesamt höher und kontinuierlicher“) als die klassischen Bereiche des Dienstleistungssektors. Und der Wissenssektor wächst rund um digitale Infrastrukturen.

Deswegen kann ich die Lobos Tonalität in seiner Kolumne sehr gut nachvollziehen.

Soweit meine Kommentare. Aber eigentlich hätten meine Kommentare angesichts meiner Frustration über Merkels Stillhaltestrategie in allen Bereichen viel rantiger und loboistischer ausfallen können und sollen. Merkel füllt die Fußstapfen ihres Ziehvaters Kohl sehr gut aus (Lob! Nicht!), bei ihm hieß die Strategie einfach nur „Aussitzen!“.

Aber vielleicht ist meine Frustration auch nur so hoch, weil ich eine gesellschaftliche Spaltung erkenne. Auf der einen Seite befindet sich der Teil der Bevölkerung, der die Notwendigkeit wichtiger Änderungen durch die Politik sieht und einfordert. Auf der anderen Seite befindet sich der Teil der Bevölkerung, der sehr zufrieden mit den Leistungen und der Art der Politik durch die Großen Koalitionen unter der Führung Angela Merkels ist. Und der zweite Teil scheint deutlich größer als der erste zu sein.

Führung? Habe ich da eben tatsächlich „Führung“ geschrieben? O tempora, o mores

Unsere Kanzlerin #Prismela und das #Neuland

Es soll Leute und Institutionen geben, die das Neuland einfach neugierig betreten. Ich finde das ja gut. Andere stellen erst einmal ein Schild auf: “Vorsicht Neuland! Vor Betreten wird gewarnt, Betreten auf eigene Gefahr!“

Vorsicht #Neuland!

Bei mir scheint es vordergründig etwas ruhiger zu sein, doch im Hintergrund werkele ich an ein paar Dingen und Weichenstellereien. Wenn ich mich denn doch etwas weiter aus der Deckung wage, dann beherrscht ein Themenkomplex sämtliche Spären: PRISM, Tempora, NSA, BND und unsere Kanzlerin.

Unsere Kanzlerin höchstpersönlich lässt aber auch keine Gelegenheit aus, um sich nicht festzulegen und um wozu auch immer nichts zu sagen. Gestern auf der letzten Bundespressekonferenz vor der Sommerpause war sie besonders stark darin. Das haben dann beispielsweise die ZEIT und die Süddeutsche (aus .de) bemerkt. Angeblich brachten ein paar Fragen nach Prism Merkel in Bedrängnis. Bei diesem Themenkomplex hängt aber alles irgendwie mit diesem Neuland zusammen. Und da muss man eben nun mal vorsichtig sein mit diesem Neuland.

Es soll jedoch Leute und Institutionen geben, die das Neuland einfach mal neugierig betreten. Das finde ich ja auch gut.

Andere stellen erst einmal ein Schild auf:

Vorsicht Neuland! Vor Betreten wird gewarnt, Betreten auf eigene Gefahr!

Und wenn man später einmal fragt, warum das Schild da steht, weiß keiner mehr so genau warum. Und Leute, die das Neuland dennoch betreten, werden als Spinner oder sogar als gefährliche Abweichler betrachtet.

Ich bin da aber beruhigt, unserer Kanzlerin Angela kann das nicht passieren. Sie hat schließlich keine Ahnung, da wird sie doch wohl nicht so unverantwortlich sein und Neuland betreten.

Im Gegenteil: Sie wird darauf achten, anderen eine Liste mit Fragen zu schicken. Also solchen Leuten, die sich mit dem Neuland auskennen. Denn bei uns hier scheint das mit dem Auskennen doch etwas schwieriger zu sein. Bei dem Friedrich beispielsweise. Oder dem BND. Oder dem Pofalla (BTW: Kennt sich einer aus, wo der gerade ist?). Oder unserer Prismela.

Ist auch kein Wunder: Die halten sich schließlich alle an ihre Warnung vor dem Neuland auf dem Schild vor dem Kopf.

Soziale Netzwerke: „Wir profitieren jeden Tag davon“

Was aber passieren kann, wenn man sich auf dieses #Neuland einlässt, zeigt ein herrlich unaufgeregtes und spannendes Interview mit Lars Wienand.

Social Media Editor
Social Media Editor

Soziale Netzwerke sind für viele Mitarbeiter und Führungskräfte immer noch ein #Neuland, das sie vor Allem mit Gefahren und nicht mit Chancen verbinden. Was aber passieren kann, wenn man sich auf dieses Neuland einlässt, zeigt ein herrlich unaufgeregtes und spannendes Interview mit Lars Wienand.

Lars Wienand ist „140-Zeichen-Setzer“ bei einem Unternehmen. Für sein Unternehmen tummelt er sich auf sozialen Netzwerken,  die Fakten- und Meinungsmärkte darstellen. Und damit macht er sein Unternehmen besser:

Es ist ganz klar so, dass uns soziale Netzwerke jeden Tag an irgendwelchen Stellen besser machen. Sie machen uns entweder schneller, weil wir früher was erfahren, oder sie korrigieren Fehler, sie korrigieren Einschätzungen. Da draußen sind so viele Menschen, die zu so vielen Themen Experten sind, die sich dann auch zu Wort melden, die Ergänzungen liefern. Wir profitieren jeden Tag davon.

Für seine Kollegen sei er in manchen Teilen eine Belästigung. Doch andererseits sei er eine zusätzliche Quelle, eine Sammlung von Quellen. Seinem Unternehmen verschaffe er Hinweise, die es sonst nicht erfahren hätte. Aus Sucht oder Pflichtgefühlt laufe man Gefahr, gar nicht mehr abzuschalten, Freizeit und Beruf würden verschwimmen. Aber er hat Spaß ein seiner Arbeit, denn immer bekomme er Rückmeldungen, auch ein Retweet sei eine Belohnung.

Seinem Unternehmen geht es wie so vielen Unternehmen heutzutage, denn immer mehr Unternehmen bewegen sich in einem äußerst volatilen und dynamischen Markt. Ständig kommen alte oder neue Mitbewerber mit neuen Ideen, neuen Produkten und neuen Vorgehensweisen.

Sie denken an die IT-Branche? Raumfahrt? Mitnichten: Lars Wienand ist Social-Media-Redakteur bei der Rhein-Zeitung. Roman Mischel von Onlinejournalismus.de porträtierte ihn für die fünfte Folge des Journalisten-Berufsporträt-Formats ABZV Videoreporter.

Doch was unterscheidet eine Zeitung heutzutage von einem Technologieunternehmen, einer Unternehmensberatung, einem Pharmaunternehmen oder einem Chemieunternehmen? Bei den meisten Unternehmen geht inzwischen es um die schnelle Anwendung und Umsetzung von Daten, Informationen und Wissen. Immer weniger finde ich essentielle Unterscheidungsmerkmale, denn der Anteil der Wissensarbeiter nimmt in allen Unternehmen zu. Die Mechanismen an sich im Informations- und Innovationsmanagement und in der Kommunikation sind gleich.

Lars Wienand ist der Prototyp eines Communication and Innovation Scouts, der neue Ereignisse, Themen und Trends erkundet und für einen ständigen Austausch zwischen seinem Unternehmen und seinen Stakeholdern sorgt. „Klassische“ Unternehmen sollten darüber einmal nachdenken ;-)

Video

Der Social Media-Redakteur: Lars Wienand, Rhein-Zeitung (ABZV Videoreporter Folge #5) from ABZV on Vimeo.

Hintergrund: http://videoreporter.abzv.de/2013/lars-wienand-rhein-zeitung/

Als wohl erster Social Media-Redakteur einer deutschen Regionalzeitung sitzt Lars Wienand an den Schalthebeln von Facebook, Twitter & Co. bei der Rhein-Zeitung. „Wir profitieren jeden Tag von den sozialen Netzwerken“, ist Wienand überzeugt. Seine Kollegen schätzen ihn oft als weitere Quelle, sehen ihn manchmal aber auch als „weitere Störung im Ablauf“.