Vor ein paar Tagen entdeckte ich den Stanza Reader für mein iPad. Der Stanza Reader kann verschiedene E-Book-Formate (z.B. MOBI) lesen und von verschiedenen Plattformen herunterladen. So also stöberte ich soeben auf den Plattformen nach freien Büchern und stieß auf eine Rede des von mir so gerne gelesenen wenn nicht sogar bewunderten Autors Mark Twain, der nicht nur ein fabulöser Autor war: Hawai’i war eines seiner schriftstellerischen Objekte, die er zum Subjekt einer Reihe von Briefen machte, die er in verschiedenen Lokationen Hawai’is wie Honolulu schrieb, und die im Sacramento Union veröffentlicht wurden. Für meine regelmäßigen Leser mag daraus sogleich der weitere Grund für meine Bewunderung ersichtlich sein.
Ich fand eben diese Rede „Die Schrecken der deutschen Sprache“ in einem Verzeichnis über den Stanza Reader auf Feedbooks.com, von wo aus ich sie als E-Book direkt aus der Reader-Anwendung heraus in den Reader herunterlud, der im Übrigen nicht der Gegenstand dieser Betrachtung sein soll, sondern er soll der Inhalt eben dieser Rede sein. Mark Twain hielt diese Rede am 21. November 1897 vor dem Presse-Club in Wien, wobei er einige Vorschläge zur Verbesserung der deutschen Sprache unterbreitete, die er, was auch für mich nach wie vor und immer wieder sehr erstaunlich ist, hervorragend sprach und schrieb, und in der Mark Twain auch auf seine gerne gewählte ironische Art und Weise zurückgriff.
Man mag aufgrund seiner Rede glauben, dass er sich über die deutsche Sprache lustig machte, doch in Wirklichkeit soll er sie sehr geliebt haben, so dass er sie sich möglicherweise auch aufgrund dieser Liebe so hervorragend angeeignet hatte. In der Rede nun rief er zu einigen Änderungen in der deutschen Sprache zu ihrer Verbesserung und der Erleichterung insbesondere seiner Benutzer auf, die nichts Revolutionäres verhießen oder die gar zum Umstürzen ihrer Eigenschaften vom Obersten zum Untersten geeignet gewesen wären:
Ich würde bloß die Sprachmethode – die üppige, weitschweifige Konstruktion – zusammenrücken; die ewige Parenthese unterdrücken, abschaffen, vernichten; die Einführung von mehr als dreizehn Subjekten in einen Satz verbieten; das Zeitwort so weit nach vorne rücken, bis man es ohne Fernrohr entdecken kann. Mit einem Wort, meine Herren, ich möchte Ihre geliebte Sprache vereinfachen, auf daß, meine Herren, wenn Sie sie zum Gebet brauchen, man sie dort oben versteht.
Man mag nun der Ansicht verfallen, dass es hierbei um abstrakte und in der Realität kaum vorstellbare Eventualitäten gegangen sein möge, doch Mark Twain wäre nicht Mark Twain gewesen, wenn er nicht sogleich in seiner Rede auf ein damalig sehr konkretes Beispiel zur Verdeutlichung seiner Vorschläge zurückgegriffen und es dem Publikum (vermutlich alles noble Vertreter des Wiener, wenn nicht sogar des österreichischen Pressestandes) präsentiert hätte:
Vor mehreren Tagen hat der Korrespondent einer hiesigen Zeitung einen Satz zustande gebracht welcher hundertundzwölf Worte enthielt und darin waren sieben Parenthese eingeschachtelt und es wurde das Subjekt siebenmal gewechselt. Denken Sie nur, meine Herren, im Laufe der Reise eines einzigen Satzes muß das arme, verfolgte, ermüdete Subjekt siebenmal umsteigen.
Der geeignete Leser mag sich nun nicht nur der damaligen Verhältnisse besinnen sondern auch sich die augenblicklichen Verhältnisse und des Gebrauches der deutschen Sprache in den Presseerzeugnissen der jetzigen Zeit vergegenwärtigen, wozu er gerne auf das seit einiger Zeit die Diskussion bestimmende Thema des vermeintlich darniedergehenden Qualitätsjournalismus zurückgreifen möge.
Es ist ein Verbrechen am Leser, dass diese von Mark Twain vorgeschlagenen und in ähnlicher Konsequenz von anderen Personen unterbreiteten und geforderten Verbesserungen nach über einem Jahrhundert immer noch nicht und bei Weitem nicht in ihrer vollen Tragweite umgesetzt wurden! Man schaue sich so manche von Vertretern des Pressestandes in Umlauf gebrachten Produkte an und verzweifle ob deren ermüdeter Subjekte! Wie sehr ermüdet da nicht sogleich der Leser, schüttle sein Haupt und lege es darnieder!
Doch ich habe in der Vergangenheit immer wieder verschiedenste Ausführungen gelesen oder ihnen zugehört, welche die Tatsache hervorhoben, dass ein Großteil heutiger Presseprodukte (in vielen Fällen mag man sogar von Presseergüssen sprechen) lediglich auf der angestrengten Arbeit von Vertretern des Public Relations-Standes beruhten und nahezu unverändert, gelegentlich sogar durch einfaches „Copy & Paste“, zu eben diesen Presseprodukten gepresst würden.
Wenn ich mir nun also diverse Pressemitteilungen von Unternehmen in Erinnerung rufe und sie mir vor meinen geistigen Augen objektiv vergegenwärtige, so beklage ich deren Schrecken! Ich beklage die Schrecken sowohl der benutzten, nein, der vergewaltigten deutschen Sprache als auch die Schrecken der unverantwortlichen Vertreter der PR-Standes, die nach über einem Jahrhundert immer noch die Schrecken der deutschen Sprache verbreiten.
Subjekt! Prädikat! Objekt! Punkt! Dies sollte die Kunde sein, die zu verbreiten sich die PRler als ihr Ziel zu eigen machen sollten und sich auf ihre virtuellen Druckfahnen schreiben sollten!
Doch die Dunkelheit will einfach nicht weichen. Manchmal sogar befürchte ich, dass eben dieser PR-Stand im 20. Jahrhundert nur aus eben diesem Grunde gegründet worden sei: Die Pressevertreter und ihre Leser, sie alle zu knechten, ins Dunkle zu ziehen und ewig zu binden an die unveränderten Schrecken der deutschen Sprache!
Man möge mich schütteln, wenn ich der dunklen Seite nicht endgültig abgeschwört haben sollte. Teeren und Federn möge man mich, sollte ich jemals abstruses PR-Sprech-Geschwafel formulieren und unter meinen Lesern die Schrecken der deutschen Sprache verbreiten!
Ach Mark, blickest Du von dort oben hernieder, Du würdest verzweifeln.