Manchmal muss die Zeit reif sein – wofür auch immer. Dieses Mal musste die Zeit reifen für einige Gedanken über das Buch "Wein und Zeit – Von der Kultur des Geniessens" vom Hampp-Verlag aus Stuttgart. Autor des Buches ist Mario Scheuermann vom Drink Tank und vom Planet Bordeaux. Inzwischen schon einige Zeit Blogger ist er jedoch schon wesentlich länger Weinkritiker und Autor
Fakten über das Buch
13 x 20 x 1,7 Zentimeter, 190 Seiten insgesamt, Anhang auf den Seiten 165 bis 190, 9 Geschichten.
Geschichten
In neun Geschichten bereist Mario Scheuermann zusammen mit Wein die Zeit. Es geht um Yqem, Lafite, Weinkritiker, Reblaus, Preise, Verkostungen, COS und cpv. Viele Themen für die Seiten, aber geklammert durch die Zeit.
Gemeinsamer Tenor der Geschichten sind die Flatterhaftigkeit der neuen Zeit und das Aufspringen auf die schnellen Trends und Geschmäcker, das Verlässliche und Genüssliche der alten Zeit. Mario Scheuermann beschreibt, wie es früher war, wie es dazwischen war, und wie es heute oft ist. Leider. "Ach, die alten Zeiten schon wieder…", so könnte man meinen.
Gedanken
Aber die Zeit ist die Quelle unseres Daseins. Wir sind jetzt und hier, weil wir irgendwo herkamen. Über alle Begeisterung für Neues und Mögliches dürfen wir
unsere Herkunft nicht vergessen. Denn daraus können und sollten wir lernen. Alte Zöpfe abschneiden ist eine zweischneidige Schere, denn irgendwann könnten wir vergessen, wie schön so ein langer Zopf doch sein kann.
Ich bin kein Weinkenner. Ich bin bestenfalls ein Weinliebhaber, und ich trinke gerne guten Wein. Nein, keinen Lafite im mehrfach-stelligen Bereich. Gerne selten einen guten Barolo von Gigi Rosso für unter 30 Euro. Oder ganz ausnahmesweise einen Cabernet Sauvignon für 55 Dollar von Groth Winery (Ja, ich gestehe. Wir haben uns eine Flasche gegönnt und mitgenommen).
Ich habe meine Probleme, einen Wein zu beschreiben. Im für mich einfachsten und für meine Freunde im schwierigsten Fall gelange ich zur Überzeugung: "Er schmeckt mir". Ich erschmecke sein Wesen und ich fühle mich wohl mit ihm. Von Wein verlange ich eine gemeinsame Innigkeit, für die ich ihm Zeit, Ambiente und Konzentration zur Verfügung stelle.
Gerne trinke ich auch einen leichten schnellen Wein. Einen Silvaner auf der Terrasse, einen Riesling. Aber auch dann respektiere und genieße ich den Wein.
Dieses Buch ist kein leichtes schnelles Buch. Es erfordert Konzentration und Eintauchen in ein Ambiente. Doch wer eintaucht, dem öffnet es sich. Keine einfachen schnellen Sätze. Keine schnell-lebigen Schlagzeilen sondern längere fundierte Sätze, in denen mit Subjekten, Verben und Objekten jongliert wird. Doch das Subjekt bleibt immer der Wein.
Dieses Buch gefällt mir, es "schmeckt" mir. Ich habe es genossen.
Irgendwann in den nächsten Monaten werden meine Frau und ich die Flasche Cabernet Sauvignon aus Kalifornien geniessen. In aller Ruhe werden wir eintauchen in die Zeit, in Erinnerungen und Gefühle. Die gehören zu einem guten Wein irgendwie dazu. Wie zu einem guten Buch.